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Umfassende Reform : Schutz für Hinweisgeber beschlossen

Der Bundestag setzt EU-Vorgaben zu Whistleblowern verspätet um. Hinweisgebende Personen sollen künftig besser geschützt werden.

19.12.2022
2024-04-17T15:00:50.7200Z
3 Min

Hinweisgeber auf Rechts- und Regelverstöße in Unternehmen und Behörden, sogenannte Whistleblower, sollen künftig einfacher und ohne Angst vor Repressalien auf Missstände aufmerksam machen können. Das bezweckt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, den der Bundestag am Freitag in einer vom Rechtsausschuss veränderten Fassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschiedet hat. Kern ist die Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen, Behörden und Organisationen, an die sich Whistleblower wenden können. Damit werden - verspätet - EU-Vorgaben umgesetzt.

Es soll auch anonyme Meldewege geben

Auf Veranlassung des Rechtsausschusses werden diese Stellen auch anonyme Meldungen bearbeiten und dazu eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen ermöglichen müssen. Geschützt sein soll auch, wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet. Das soll auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. Hinweisgebende, die Repressalien erleiden, sollen eine Entschädigung in Geld auch dann verlangen können, wenn es sich nicht um einen Vermögensschaden handelt.

Unverändert bleibt im Hinweisgeberschutzgesetz, dass Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine interne Meldestelle einrichten müssen. Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden können dabei Meldestellen gemeinsam aufbauen. Als externe Meldestelle soll, mit einigen Ausnahmen, das Bundesamt für Justiz dienen. Geschützt sein sollen nicht nur Beschäftigte der Unternehmen und Behörden, sondern etwa auch Beschäftigte von Zulieferern sowie Anteilseigner. Sofern ein Whistleblower nach einer Meldung berufliche Nachteile erfährt, sieht das Gesetz eine Beweislastumkehr vor. Es wäre dann zu beweisen, dass die Benachteiligung nicht auf der Meldung beruhte. Wer allerdings vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen meldet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss für einen dadurch entstandenen Schaden aufkommen.

Meldeverfahren sind laut FDP "keine Schikane"

"Hinweisgeberinnen werden in ihren Unternehmen drangsaliert, gekündigt und müssen um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten", erklärte Carmen Wegge (SPD) in der abschließenden Debatte. "Dem schieben wir nun einen Riegel vor." Stephan Thomae (FDP) betonte, die meisten Unternehmen seien selbst daran interessiert, von Missständen zu erfahren, um sie beheben zu können. Die neuen Meldeverfahren seien daher keine Schikane, sondern "eine echte Chance für Unternehmen, noch besser zu werden". Nach Einschätzung von Martin Plum (CDU) dagegen belastet die Koalition 90.000 Unternehmen mit "neuer Bürokratie". Er bezifferte die auf die Wirtschaft zukommenden Mehrkosten auf eine halbe Milliarde Euro. Susanne Hierl (CSU) bemängelte, dass potentielle Hinweisgeber durch unbestimmte Rechtsbegriffe im Unklaren gelassen würden, ob sie tatsächlich geschützt wären.

Sebastian Fiedler (SPD) hob den besseren Schutz für Beamte hervor, die verfassungsfeindliche Äußerungen von Kollegen melden. Dies stärke auch das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. Dagegen befürwortete Fabian Jacobi (AfD) zwar den Schutz von Whistleblowern, die Bestrebungen zur "Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat" melden, dieses "überkommene Verständnis von Verfassungstreue" werde aber "zunehmend überlagert von einem neuen Verständnis, wonach schon die Kritik an den Inhabern staatlicher Ämter den Staat selbst delegitimieren und damit verfassungsfeindlich sein soll". Clara Bünger (Linke) kritisierte Ausnahmeregelungen zum Schutz von Staatsgeheimnissen. Ein "deutscher Edward Snowden" wäre auch nach dem neuen Gesetz "nicht geschützt".