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EDITORIAL : Frage der Gerechtigkeit

Die zunehmende Erschöpfung der Menschen im Kampf gegen die Corona-Pandemie spielt Extremisten in die Hände.

31.01.2022
2023-10-02T14:12:44.7200Z
2 Min

Wer bislang noch nicht zur Impfung gegangen ist, gibt oft eine Mischung aus Angst, Sorge und Misstrauen als Grund an. Gegen Gefühle kann man schlecht argumentieren, weshalb es in diesen Fällen so schwierig ist, die Menschen zu überzeugen. Eine niedrige Impfbereitschaft gibt es auch dort, wo das Vertrauen in unser parlamentarisches Regierungssystem geschwunden ist. Gerade bei jenen bemüht sich die Politik überall im Land, Vertrauen zurückzugewinnen. Die zunehmende Erschöpfung der Menschen im Kampf gegen die Corona-Pandemie spielt jedoch Extremisten in die Hände, die unter dem Deckmantel eines Protests gegen staatlichen Schutzmaßnahmen Menschen für ihre radikale Agenda vereinnahmen wollen.

Durch die Impfskepsis in Teilen der Bevölkerung und die daraus folgende Debatte über eine allgemeine Impfpflicht können nun weitere Resonanzräume entstehen, in denen Extremisten die Mitte der Gesellschaft erreichen. Deshalb ist es richtig, dass neben der Politik auch der Verfassungsschutz solche Corona-Proteste in den Blick nimmt, die den Staat und seine Regeln auf offener Bühne vorführen wollen. Die Demokratie stellt sich auf allen Ebenen dem Versuch der Delegitimierung ihrer Gesellschaftsordnung entgegen.

Der Staat kann wachsam sein, ohne dem Protest an sich die Legitimation abzusprechen. Es gibt viele Wege, seine Meinung auszudrücken. Wer sich für die Ausdrucksform der Versammlung und Demonstration entscheidet, kann dies tun. Es ist ein hohes Gut, dass auch im öffentlichen Raum Widerspruch geäußert werden kann. Allerdings muss sich jeder Protest im gesetzlichen Rahmen bewegen. Da hilft auch kein Verweis auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit in Artikel 8 des Grundgesetzes, bei dem oft der zweite Absatz vergessen wird: Für Versammlungen unter freiem Himmel kann die Versammlungsfreiheit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Nichts anderes machen die entsprechenden Corona-Verordnungen.

Auch Spaziergänger müssen sich also an Recht und Gesetz halten, das ist sogar eine Frage der Gerechtigkeit. Wer seine Versammlung ordnungsgemäß anmeldet, hat das Recht, dass der Staat hierauf auch bei jenen achtet, die meinen sich mit sogenannten Spaziergängen, die eigentlich Demonstrationen sind, nicht an Recht und Gesetz halten zu müssen.