Piwik Webtracking Image

Agrarpolitisches Grundsatzpapier : Vorrang für mehr Tierwohl

Die Ampel-Fraktionen legen in einem Antrag ihre Pläne für die zukünftige Agrar- und Ernährungspolitik vor.

31.01.2022
2023-10-02T13:02:22.7200Z
3 Min

Für Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich am vergangenen Donnerstag ein Kreis geschlossen. Vor 20 Jahren war sie die erste Landwirtschaftsministerin der Grünen. Damals waren Fragen der Tierhaltung und Ernährung eher etwas für Experten, heute werden diese Themen in der Mitte der Gesellschaft diskutiert. Nun stellte sie im Bundestag den Antrag (20/491) der Ampel-Fraktionen "Landwirtschafts- und Ernährungspolitik im Aufbruch" und die Schwerpunkte der zukünftigen Agrarpolitik vor. Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung ein verbindliches Tierhaltungskennzeichen umsetzen.

Im falschen System

"In einem falschen System kann man nicht die richtige Ernährung organisieren", sagte Künast. Oberste Priorität habe das Tierwohl, das durch ein verbindliches Tierhaltungskennzeichen noch in diesem Jahr Gesetz werden soll. Ein solches Label, mit dem Verbraucher auf einen Blick erkennen sollen, woher das Fleisch auf dem Teller kommt und unter welchen Bedingungen das Tier gelebt hat, ist seit Jahren im Gespräch. Laut dem vorliegenden Antrag soll nun jedes Steak gekennzeichnet werden, auch der Transportweg und die Schlachtung sollen dokumentiert werden.

Zudem sollen die Ställe vergrößert und tiergerecht umgebaut werden. Mehr Tierwohl bedeutet für die Landwirte höhere Kosten, was auf eine Mehrwertsteuererhöhung für tierische Produkte oder eine nutzerorientierte Fleischabgabe hinauslaufen könnte. Außerdem soll der Anteil des Ökolandbaus bis 2030 auf 30 Prozent erhöht werden, 2020 wurden knapp zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet. Darüber hinaus soll bis 2023 der Gebrauch und der Verkauf des Unkrautvernichters Glyphosat verboten werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei einer neuen Ernährungsstrategie für Kinder und Jugendliche. So soll unter anderem speziell an unter 14-Jährige gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel verboten werden.

Heftige Kritik kam von der Opposition. Albert Stegemann, agrar- und ernährungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, nennt die Agrarpolitik der Ampel "absurd". Was sich hinter den einzelnen Forderungen konkret verberge, werde nicht benannt. Landwirte und Verbraucher würden "ratlos zurückgelassen". Bemerkenswert sei zudem die Forderung im Antrag, dass sich die gesamte Landwirtschaft an den Zielen des Umwelt- und Ressourcenschutzes und des Ökolandbaus auszurichten habe.

Gero Hocker, landwirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, warf der Unions-Fraktion "Breitbeinigkeit" vor. 16 Jahre habe die Union den Landwirtschaftsminister gestellt, es sei nun an der Zeit, sich ehrlich zu machen, die hohen Produktionsstandards in Deutschland müssten sich im Preis für Lebensmittel widerspiegeln. Luiza Licina-Bode (SPD) betonte, die Jungwähler hätten der Politik den Auftrag erteilt, Tierschutz nicht länger stiefmütterlich zu behandeln. "Die Verbraucher wollen wissen, was in ihrem Einkaufswagen liegt", sagte sie.

Der AfD-Abgeordnete Frank Rinck, Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, sieht den Antrag als Beleg dafür, dass die Ampelkoalition im Bereich der Agrarpolitik "völlig konzept- und ideenlos" sei. Weder habe die Regierung eine Antwort, wie beispielsweise der "unverhältnismäßigen Düngeverordnung" oder wie den "explodierenden landwirtschaftlichen Produktionskosten" begegnet werden solle.

Ina Latendorf (Die Linke) sagte, ihr fehlten im Antrag die Lösungsvorschläge, wie sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in der Landwirtschaft geschaffen werden sollen: "Dazu steht nichts in dem Papier."

Renate Künast jedoch wollte sich den Antrag nicht kleinreden lassen. "Machen Sie mit bei der Aufstellung eines neuen Systems!", rief sie die Abgeordneten zur Zusammenarbeit auf. Nie sei die Bereitschaft der Verbraucher größer gewesen als aktuell, Grundlagen der Ernährung zu verändern.

Antrag der Union

Die CDU/CSU Fraktion brachte am Freitag noch einen eigenen Antrag (20/206) ein. Darin fordert sie die Bundesregierung in Abstimmung mit den Bundesländern auf, bis zur Mitte dieser Legislaturperiode Vorschläge für eine Finanzierung einer nationalen Agrar-Marketingagentur zu entwickeln, die regionale Lebensmittel besser vermarktet. Zudem soll der Export von Agrarprodukten ausgebaut werden. Beide Anträge wurden jeweils zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.