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Gastkommentare : Pro und Contra: Waffenlieferungen an die Ukraine?

Sollte Deutschland der Ukraine Waffen liefern oder erhöhen Militärhilfen das Risiko der Eskalation? Richard Herzinger und Stephan Hebel im Pro und Contra.

21.02.2022
2024-02-23T10:15:12.3600Z
3 Min

Pro

Aggression verteuern

Foto: Matthias Giordano
Richard Herzinger
arbeitet als freier Publizist.
Foto: Matthias Giordano

Ungeachtet anderslautenden Ankündigungen setzt der Kreml den Truppenaufmarsch gegen die Ukraine unvermindert fort. "Diplomatie" dient dem Putin-Regime nur dazu, den Westen zu täuschen und seine Absichten zu verschleiern. Von seinem Ziel, die Ukraine - ob durch offenen Krieg oder mit anderen Mitteln - wieder unter russische Vorherrschaft zu zwingen, lässt sich Putin durch "Dialog" allein nicht abbringen. Erst wenn nicht nur der politische und ökonomische, sondern auch der militärische Preis seiner fortgesetzten Aggression für ihn unkalkulierbar hoch wird, besteht die Aussicht, dass er davon ablässt. Die Verteidigungskraft der Ukraine substanziell zu stärken, bedeutet daher keineswegs, die Kriegsgefahr zu vergrößern, sondern im Gegenteil, sie zu verringern.

Deutschland darf sich der Pflicht, die demokratische Ukraine gegen die drohende Auslöschung ihrer staatlichen Souveränität durch eine autokratische Macht zu rüsten, nicht länger entziehen. Verteidigt sie doch an vorderster Front die Sicherheit des ganzen demokratischen Europa. Der Hinweis auf die deutsche Geschichte und das daraus abgeleitete Gebot zur Zurückhaltung gegenüber Russland rechtfertigt nicht, der Ukraine Waffenlieferungen zu verweigern. Denn sie hat - neben Belarus - unter dem NS-Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion am schrecklichsten gelitten. Gerade Deutschland muss daher umfassend dazu beitragen, neues verheerendes Unheil von ihr abzuwenden. Die Geschichte aber lehrt, dass allein rechtzeitige militärische Abschreckung den Eroberungsdrang autoritärer und totalitärer Mächte eindämmen kann. Und dass diese nur gegenüber wehrhaften Demokratien ernsthafte Gesprächsbereitschaft zeigen.

Contra

Wirkungslos

Foto: Alex Kraus
Stephan Hebel
arbeitet als freier Publizist.
Foto: Alex Kraus

Es ist nicht so, dass Symbole in der Politik unwichtig wären. Aber wer Zeichen setzt, sollte sehr genau überlegen, welche Wirkung sie in der Wirklichkeit hervorrufen können - erst recht, wenn es um Waffen geht. In der Ukraine-Krise, die ja in Wahrheit eine Nato-Russland-Krise ist, gilt realistischerweise: Würde Deutschland Waffen liefern, könnte das die Ukraine bei einem russischen Angriff so wenig schützen wie das Militärmaterial, das jetzt andere Länder schicken. Ein Krieg gegen Russland wäre wohl nur zu gewinnen, wenn die Nato und vorneweg die USA aktiv eingreifen würden. Von der globalen Eskalation, die das bedeuten würde, ist selten die Rede - aber die US-Regierung weiß schon, warum sie an einen solchen Schritt nicht ernsthaft denkt. Bleibt also die Symbolik: Ja, liebe Ukraine, wir stehen an deiner Seite. Aber was ist das für eine Hilfe, von der alle wissen, dass sie im Ernstfall wirkungslos bliebe?

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Ganz besonders Deutschland hat sehr gute Gründe, beim Nein zu Waffenlieferungen zu bleiben. Die Verantwortung für die Opfer des Zweiten Weltkrieges, die manchmal als Argument für die Militärhilfe herangezogen wird, ist viel eher ein Argument dagegen: Die Opfer, die der von den Nationalsozialisten angezettelte Krieg gefordert hat, gab es eben nicht nur auf ukrainischem, sondern auch auf russischem Boden. Das kann nur bedeuten, die Solidarität mit der Ukraine mit dem Versuch einer ausgleichenden Politik gegenüber Moskau zu verbinden. Zu dieser Position zu stehen und alle Kraft auf diplomatische Lösungen zu verwenden, das ist die Pflicht der Deutschen. Und es ist besser, als mit hilfloser Geste die Lieferung von Helmen zu verkünden.