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Steigende Energiepreise : Opposition fordert schnelle Inflations-Entlastung

In einer seltenen Koalition von Preisdrücker-Willigen fordern Union, AfD und Linke Steuersenkungen und andere Maßnahmen.

21.02.2022
2024-03-05T12:40:17.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Christophe Gateau

Tanktourismus an der deutsch-polnischen Grenze: Die hohen Kraftstoffpreise sorgen für Staus im Nachbarland.

Die Preise für Strom und Benzin steigen rasant, die für Öl und Gas ebenso. Die Inflation ist so hoch wie lang nicht mehr. Mit anderen Worten: Das Leben wird teurer. Und zwar gewaltig. Für manch einen so gewaltig, sei er Geringverdiener oder Unternehmer, dass die Opposition jetzt in Sachen Energiepreise zum Angriff auf die Koalition bläst: Schnelle Entlastung tue not. Am besten sofort.

In einer seltenen Koalition von Preisdrücker-Willigen fordern Union, AfD und Linke Steuersenkungen und andere Maßnahmen. Über die wurde am Freitag im Bundestag beraten. Dabei debattierten die Abgeordneten über drei Anträge der Fraktionen: einen der CDU/CSU-Fraktion (20/725) mit dem Titel "Explosion bei den Energiepreisen bekämpfen - Zeitnah wirksam und gerecht entlasten"; einen der Fraktion Die Linke (20/682) mit dem Titel "Verbraucherinnen und Verbraucher vor Energiepreissteigerung schützen"; und einen der AfD-Fraktion (20/707) mit dem Titel "Kraftstoffpreise senken - Wirtschaft unterstützen - Wirtschaftskrise verhindern."

Union wirft Regierung Untätigkeit vor

Jens Spahn (CDU) warf der Ampelkoalition eingangs der Debatte weitgehende Untätigkeit vor. Zu einer der drängendsten Fragen der Zeit höre man von der Regierung nichts. Zwar läge es nicht in der Verantwortung der Koalition, dass die Preise steigen - sehr wohl aber, dass es keine schnelle und wirksame Reaktion gebe. Der Heizkostenzuschuss sei gut, reiche aber nicht.

Die in Aussicht gestellte vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage sei zwar angekündigt, aber noch nicht beschlossen. So gebe es denn zwar ein Klimaschutz-Sofortprogramm der Ampel - was es aber brauche, sei ein "Preise-runter-Sofortprogramm", sagte Spahn. Nötig seien mittelfristig eine größere Unabhängigkeit von russischem Gas und der Ausbau der erneuerbaren Energien.

Kosten treffen Geringverdiener, Unternehmer und Kommunen

Um Bürger und Unternehmen aber so schnell wie möglich zu entlasten, schlägt die Unionsfraktion unter anderem vor, die EEG-Umlage für alle Stromkunden abzuschaffen - spätestens zur Mitte des Jahres. Darüber hinaus solle die Umsatzsteuer auf Strom-, Gas- und Fernwärmelieferungen für die Jahre 2022 und 2023 auf den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent gesenkt werden. Zur Begründung heißt es, die Energiepreise seien in diesem Winter um bis zu 40 Prozent gestiegen. Die hohen Kosten treffen laut Antrag vor allem Haushalte mit geringem Einkommen, aber auch die breite Mittelschicht sowie Unternehmen und Kommunen.

Amira Mohamed Ali (Die Linke) sieht in den Preissteigerungen der jüngsten Zeit ein "Riesenproblem". Der Preis für Heizöl sei um 40 Prozent gestiegen, der von Benzin, Super, Diesel um 38 Prozent, der von Strom um neun Prozent. "Das kann so nicht weitergehen", sagte Mohamed Ali: Je nach Einkommen summiere sich das auf mehr als zehn Prozent an Mehrkosten. Was das für Betroffene bedeute, dass man sich fragen müsse, ob man heizen oder essen wolle, sei ein Skandal, sagte die Linken-Fraktionschefin.


„Das Leben muss bezahlbar sein - und zwar für alle.“
Amira Mohamed Ali (Linke)

Deshalb schlage ihre Partei sieben Sofortmaßnahmen vor, darunter eine Einmalzahlung von 200 Euro an alle Menschen, deren Einkommen unter der Armutsrisikoschwelle liegen, und die Übernahme der Energiekosten für Menschen im Grundsicherungsbezug;, aber auch eine staatliche Strompreisaufsicht. "Das Leben muss bezahlbar sein - und zwar für alle", so Mohamed Ali.

Dass das tägliche Leben für viele zunehmend unbezahlbar werde, stellte auch AfD-Abgeordneter Bernd Schattner fest. Es sei "höchste Zeit, die Bürger zu entlasten". Die AfD wolle "den deutschen Steuerzahler retten - nicht das Klima", sagte Schattner und nannte als Sofortmaßnahmen die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Otto-, Diesel- und Heizkraftstoffe auf sieben Prozent und die Abschaffung der CO2-Abgabe.

Ampel will EEG-Umlage früher abschaffen

Abgeordnete der Ampelkoalition konterten die Forderungen und wiesen auf eigene Maßnahmen hin:. Ein Vorziehen der Abschaffung der EEG-Umlage, einen Sofortzuschlag für Kinder und eine Aufteilung der CO2-Steuer zwischen Mietern und Vermietern.

Michael Schrodi (SPD) nannte den Antrag der Union unseriös. Es handle sich bei dem Forderungskatalog der Union um ein "Sammelsurium" von 22 nicht aufeinander abgestimmten Einzelmaßnahmen. In Richtung Spahn fragte er mit Blick auf die Entlastungsvorschläge der Union: "Und wie wollen Sie das finanzieren?" Immerhin koste das, wenn alle Maßnahmen umgesetzt würden, rund 40 Milliarden Euro.

FDP erwidert Spahn:  "Wir räumen jetzt hinter Ihrer Politik auf."

Auch der FDP-Abgeordnete Michael Kruse hielt der Union vor, bei ihren Forderungen handele es sich eigentlich um die "Mängelliste" der Energie- und Klimapolitik der Union in den vergangenen Jahren ihres Regierungshandelns. "Die Verantwortung für diese Mängel trägt Ihre Regierung, die überhaupt nichts auf die Kette gebracht hat", sagte Kruse und stellte fest: "Wir räumen jetzt hinter Ihrer Politik auf."

Ingrid Nestle (Bündnis 90/Die Grünen) rief den Unionsabgeordneten zu: "Sie sind mutig!" - und meinte damit, dass CDU/CSU jetzt den Ausbau erneuerbarer Energien und Effizienzsteigerungen forderten, was sie, noch an der Regierung, "nicht nur unzureichend vorangetrieben, sondern blockiert" hätten.

Grüne: Inflation ist eine "fossile Inflation"

Aber richtig sei, dass die aktuelle Teuerung eine "fossile Inflation" sei: Die Preissteigerungen seien Preissteigerungen fossiler Energien. Deshalb freue sie sich, dass nun auch die Union anerkenne, dass es mehr Unabhängigkeit von fossilen und mehr erneuerbare Energien brauche. In diesem Sinne nehme sie "Angebot" der Union an: Nötig sei kurzfristige Hilfe jetzt, aber es bedürfe auch eines langfristigen Konzepts zur Energiewende: "Und da ist ein großer Konsens gut", sagte Nestle.