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Inklusion am Arbeitsplatz : Eine Frage der Teilhabe

Bundestag beschließt Entwurf zur Förderung des inklusiven Arbeitsmarktes. Für "Null-Beschäftigter" soll die Abgabe steigen - ab 2025.

06.03.2023
2024-03-14T15:36:28.3600Z
6 Min
Foto: picture-alliance/Robert Schlesinger

Menschen mit Behinderung haben es trotz guter Qualifikation schwerer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden.

Rund 45.000 Firmen in Deutschland beschäftigen keinen einzigen Menschen mit Behinderung, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Stattdessen entrichten sie eine "Ausgleichsabgabe" an den Staat.

Damit künftig mehr Menschen mit Behinderung auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt tätig sein werden, hat die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes vorgelegt, über den der Bundestag vergangenen Donnerstag in erster Lesung debattierte.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass es künftig eine neue Stufe bei den Ausgleichszahlungen geben soll. Unternehmen, bei denen die Beschäftigtenquote von Menschen mit Behinderung bei null Prozent liegt, sollen ab März 2025 monatlich 720 Euro pro unbesetzter Stelle zahlen. Bislang gibt es nur drei Stufen, die höchste sieht eine Abgabe von 360 Euro vor. Gleich bleibt laut Gesetzentwurf, dass es Sonderregelungen für kleine und mittlere Unternehmen geben wird.

Was die Ausgleichsabgabe regelt

Verpflichtung: In Deutschland sind private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen gesetzlich verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen.

Ausgleich: Erfüllen Betriebe diese Quote nicht, müssen sie eine dreistufige Ausgleichsabgabe zahlen. 

Reform: Ab 2025 wird eine vierte Stufe eingeführt für jene Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen.



Die geplanten Änderungen seien notwendig, damit auch Menschen mit Behinderung ihr Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft geltend machen könnten, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der Debatte. Außerdem sei es "ökonomischer Unfug", dass sie es schwerer hätten, eine Arbeit zu finden, als andere arbeitslose Menschen, obwohl sie im Schnitt höher qualifiziert seien. "Nur ein inklusiver Arbeitsmarkt ist ein starker Arbeitsmarkt", sagte Heil. 55 Prozent der arbeitssuchenden Menschen mit Behinderung hätten einen Berufs- oder Hochschulabschluss, bekräftigte Takis Mehmet Ali (SPD) das Argument des Bundesministers.

Abbau von Bürokratie

Grünen-Politikerin Corinna Rüffer betonte, dass Deutschland es sich - auch mit Blick auf den demografischen Wandel - nicht länger leisten könne, Menschen ihr Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt zu verwehren. Daher sei es auch richtig, dass die Ausgleichsabgaben künftig in die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fließen werde und nicht mehr in die Finanzierung von Werkstätten und Wohnheimen. Selbstkritisch merkte Rüffler an, dass mit diesem Gesetz noch lange kein inklusiver Arbeitsmarkt erreicht sei und weiter auf dieses Ziel hingearbeitet werden müsse.

Mit der neuen finanziellen Regelung alleine sei es jedoch nicht getan, sagte Jens Beeck (FDP). So sehe der Gesetzentwurf ebenfalls vor, bürokratische Hürden abzubauen. Die Anträge, um die technischen und sonstigen Voraussetzungen zur Einrichtung eines Arbeitsplatzes zu schaffen, seien kompliziert, ihre Bearbeitung dauere zu lange. Künftig solle für Anspruchsleistungen des Integrationsamts nach sechs Wochen automatisch eine "Genehmigungsfiktion" gelten.


„Die Unternehmen brauchen mehr Beratung“
Wilfried Oellers (CDU)

In der "Problemanalyse" sei man sich einig, sagte Wilfried Oellers (CDU), doch die Schlüsse daraus seien andere. Die Einführung der Ausgleichsabgabe für "Null-Beschäftiger" sehe er kritisch, da viele von ihnen Betriebe mit 20 bis 60 Mitarbeitenden seien. Denen fehle einfach das Personal, um die Anträge und die Organisation der Arbeitsplätze bewältigen zu können, sagt Oellers. Er sieht das Problem vor allem in der Vermittlung und fehlenden Beratungsstrukturen für Unternehmen.

AfD-Politiker René Springer kritisierte, dass der Gesetzentwurf keine Möglichkeit mehr vorsehe, Unternehmen, die sich nicht an die Beschäftigtenquote halten, mit einem Bußgeld zu versehen. Bislang können Firmen zunächst mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro belegt werden. Außerdem forderte Springer "Bonuszahlungen für diejenigen Unternehmen, die ihre Pflichtarbeitsplätze voll mit Menschen mit Behinderung besetzen."

Falsche Signale

Generell begrüßte Sören Pellmann (Die Linke) die geplante Einführung der vierten Abgabestufe. Er kritisierte allerdings, dass Arbeitgeber die Ausgleichsabgabe steuerlich geltend machen können und dass das Bußgeld abgeschafft werden soll. Dies seien die falschen Signale an die Betriebe. Als Reaktion auf den Gesetzentwurf hat seine Fraktion einen eigenen Antrag zur Stärkung des inklusiven Arbeitsmarktes vorgelegt. Darin mahnt die Fraktion an, dass die bestehenden drei Abgabestufen nicht erhöht werden. Außerdem fordert sie, dass arbeitslose Menschen mit Behinderung nicht vergessen werden dürften und es spezieller Förderungen bedürfe, um diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sowohl der Antrag als auch der Gesetzentwurf wurden zur weiteren Beratung federführend in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.