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Untersuchungsausschuss Afghanistan : Zu späte Reaktion auf den Umsturz in Afghanistan

Nach Ansicht des Zeugen hätte Deutschland bei der militärischen Evakuierung vom Flughafen Kabul mehr Menschen mitnehmen können.

15.05.2023
2024-04-03T15:49:46.7200Z
3 Min

Der Oberstleutnant trägt mit fester Stimme vor: Die Kritik daran, wie mit Ortskräften in Afghanistan umgegangen wurde, werde immer beim Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) hängen bleiben. "Das ist unberechtigt", fügt er hinzu. Jahrelang war er im BMVg für diesen Bereich zuständig. Vergangene Woche bekam er als Zeuge vor dem 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan die Gelegenheit, seine Version darzulegen.

Das Verteidigungsministerium in der Rolle des Bittstellers

Sein damaliges Referat habe sich ausschließlich mit Ortskräften beschäftigt und diese Aufgabe immer im Austausch mit anderen Ministerien erfüllt, unterstrich er. Doch das BMVg sei immer in der Rolle des Bittstellers gegenüber dem Bundesministerium des Inneren (BMI) und dem Auswärtigen Amt (AA) gewesen. Das BMVg könne per Gesetz nicht allein entscheiden, Ortskräfte nach Deutschland zu holen.


„Wir hätten mehr Menschen aus Kabul mitnehmen können.“
Oberstleutnant im Bundesverteidigungsministerium

BMI und AA hätten die Warnungen des BMVg lange Zeit ignoriert. "Sie waren bis kurz vor dem Fall Kabuls der Meinung, dass das Ortskräfteverfahren (OKV) in seiner damaligen Form ausreichend war", sagte der Zeuge.

Doch das OKV nehme mehrere Jahre in Anspruch, für Krisen sei es ungeeignet. Deshalb habe das BMVg darauf gepocht, zu einem beschleunigten Verfahren überzugehen. Doch erst nach einem öffentlichen Statement der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) habe das BMI nachgegeben. Dass dort die Abteilung Migration fachlich zuständig war, sei ein Problem gewesen.

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Die Evakuierung hätte früher geplant werden sollen

Anschaulich berichtete der Zeuge, wie die Praxis der Visavergabe das Ausfliegen der Ortskräfte erschwert hat. Die Botschaft in Kabul habe im Sommer 2021 keine Visa mehr erteilt, daher hätten die Betroffenen in Nachbarländer reisen müssen. Dabei habe das BMVg dem AA Amtshilfe geleistet. Bundeswehrpersonal habe die Anträge entgegengenommen. Diese seien mit Militärmaschinen nach Deutschland zum AA gebracht und die ausgestellten Visa wieder zurückgeflogen worden.

Bei der militärischen Evakuierung vom Flughafen Kabul hätte Deutschland mehr Menschen mitnehmen können, zeigte sich der Oberstleutnant überzeugt. Sie hätte nur frühzeitig im April geplant werden müssen. Warum das nicht erfolgte, sei ihm ein Rätsel. "Wenn vier Ressorts sich nicht einigen können, kann grundsätzlich nur eine überstehende Position eine Entscheidung treffen", sagte er. "Ein Einschreiten des Bundeskanzleramts wäre in dieser Situation wünschenswert gewesen."