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Ausschuss zu Afghanistan : Evakuierung aus Kabul - Kanzleramt verhielt sich abwartend

Die Rettung der Ortskräfte aus Afghanistan lief chaotisch ab - laut Zeugen . im Untersuchungsausschuss gab es in der Regierung unterschiedliche Auffassungen.

14.10.2023
2024-02-26T16:42:51.3600Z
3 Min
Foto: dpa/PanamaPictures/Christoph Hardt

SPD-Politiker Ralf Stegner leitet den Afghanistan-Unter­suchungs­ausschuss.

Die Aussagen zweier Zeugen im 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan haben am Donnerstag die bisherigen Eindrücke des Gremiums bestätigt: Der Abzug der Bundeswehr lief nahezu perfekt ab - die Evakuierung der Ortskräfte umso chaotischer. Dafür gibt es den Zeugen zufolge viele Gründe. Unbestritten ist, dass die deutschen Behörden auf diese Aufgabe nicht genug vorbereitet waren.

Hinzu kamen offenkundig zwei grundlegend verschiedene Perspektiven innerhalb der damaligen Bundesregierung mit der Folge, dass die Ministerien sich gegenseitig blockiert haben. Das Bundeskanzleramt, das den Knoten hätte lösen können, verhielt sich passiv.

Schwierige Visavergabe für afghanische Staatsbürger

Nachdem der Ausschuss am Donnerstagnachmittag den tausenden Opfern des Erdbebens in Afghanistan mit einer Gedenkminute gedacht hatte, trat der erste Zeuge in den Zeugenstand. Im Untersuchungszeitraum war er Leiter des Referats im Auswärtigen Amt (AA), das die Visavergabestellen berät und Verträge mit externen Dienstleistern ausarbeitet. Der Zeuge berichtete ausführlich über die Versuche seines Referats, das Visavergabeverfahren für afghanische Staatsbürger zu vereinfachen.

Die Visavergabe sei schwierig gewesen, denn in Kabul habe es keine Visastelle gegeben. Antragsteller hätten nahezu ein Jahr auf einen Termin bei der Botschaft in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad warten müssen, um überhaupt einen Antrag stellen zu können. Deshalb habe sein Referat frühzeitig eine Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vorgeschlagen, die auf dem UN-Gelände in Kabul arbeitete. Doch das Bundesinnenministerium (BMI) sei dagegen gewesen. Man könne den lokalen Mitarbeitern dieser UN-Organisation aus Sicherheitsgründen nicht vertrauen, habe es zur Begründung geheißen. Aus demselben Grund habe das BMI das Einschalten externer Dienstleister in Pakistan abgelehnt.

Erster Afghanistan-Untersuchungsausschuss

Unter Leitung von Ralf Stegner soll das zwölfköpfige Gremium die Umstände und Verantwortlichkeiten rund um den Abzug der Bundeswehr in Afghanistan und die Evakuierung des deutschen Personals und der Ortskräfte aufklären.

Betrachtet wird der Zeitraum vom 29. Februar 2020 - dem Abschluss des sogenannten Doha-Abkommens zwischen der US-Regierung unter Ex-Präsident Donald Trump und Vertretern der Taliban - bis zum Ende des Mandats zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan am 30. September 2021.



Kanzleramt wollte Rolle des ehrlichen Maklers nicht aufgeben

Der Zeuge schilderte, wie das BMI schlussendlich im Jahr 2021 nachgab und wie sich die Zusammenarbeit mit der IOM gestaltete. Seinen Aussagen zufolge habe sie erst begonnen, die Anträge der Ortskräfte entgegenzunehmen, als die Taliban schon die afghanische Hauptstadt überrollten.

Die zweite Zeugin, Leiterin des Referats im Bundeskanzleramt, das für innenpolitische Angelegenheiten zuständig ist, sagte aus, ihr Referat habe erst ab Ende April 2021 an den regelmäßigen Ressortbesprechungen teilgenommen. "Wir wurden auf Initiative des BMI eingeladen und haben versucht, uns einzuarbeiten." Wenn es früher dabei gewesen wäre, "hätte sich auch nichts geändert".

Zur Begründung des zurückhaltenden Verhalten ihres Hauses sagte sie, generell würde es erst die Ressortpositionen anschauen, dann sollte versucht werden, die Konflikte auf Arbeitsebene zu lösen. Das Bundeskanzleramt habe die Rolle eines "ehrlichen Maklers" nicht aufgeben wollen und sich deswegen nicht zu früh eingeschaltet.

Die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) habe allerdings im Juni 2021 die Ausweitung des Berechtigtenkreises für eine Aufnahmezusage gefordert. In einer Besprechung unter den Ministerinnen und Ministern eine Woche später habe Bundeskanzlerin Angela Merkel entschieden, dieser Forderung nachzukommen.