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Unabhängige Patientenberatung : Rat in Not

Die unabhängige Patientenberatung soll künftig als Stiftung organisiert werden und mehr Geld bekommen. Union fordert, Finanzierungsfragen zu klären.

30.01.2023
2024-03-14T13:57:50.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/Zoonar/Cigdem Simsek

Viele Bürger suchen Rat in medizinischen Fragen und landen auch bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, die telefonisch, aber auch online eine Beratung in verschiedenen Sprachen anbietet.

Die unabhängige Patientenberatung gehört zu den besonders strittigen Themen in der Gesundheitspolitik. Als vor rund sieben Jahren die Entscheidung fiel, die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) in die Hände des privaten Unternehmens Sanvartis zu legen, waren manche Experten schlicht entsetzt. Gegen alle Bedenken setzte der Patientenbeauftragte Karl-Josef Laumann (CDU) im Benehmen mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 2015 nach einer Ausschreibung die Vergabe an die Call-Center-Firma durch. Das Beratungsangebot, darin bestand zumindest Einigkeit, sollte angesichts der großen Nachfrage ausgeweitet werden, weshalb die Fördersumme von 5,2 auf neun Millionen Euro jährlich stieg.

Seither haben Gesundheitsexperten regelmäßig hinterfragt, ob die Leistungen der UPD wirklich unabhängig und neutral gestaltet sind und vor allem, ob die Beratung in Qualität, Umfang und flächendeckender Präsenz den Anforderungen gerecht wird. Nach Ansicht des Trägers besteht kein Grund, das Angebot infrage zu stellen. UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede zog bei einer Anhörung im Bundestag im Juni 2020 ein positives Fazit. Die wissenschaftliche Begleitung zeige, dass die Bürger mit der Beratung sehr zufrieden seien und insbesondere die telefonische Erreichbarkeit gut sei.

Ein Jahr vorher, im Juni 2020, hatte sich allerdings der Bundesrechnungshof (BRH) in einem Prüfbericht kritisch geäußert. Der BRH schrieb: "Die Abhängigkeit der UPD von der Sanvartis GmbH und weiteren Unternehmen der Unternehmensallianz in wirtschaftlicher, organisatorischer und teilweise personeller Hinsicht ist geeignet, den Eindruck fehlender Unabhängigkeit und Neutralität in der Beratung hervorzurufen." Die Prüfbehörde empfahl, bei der UPD künftig darauf zu achten, dass sie "möglichst frei ist von wirtschaftlichen Interessen oder sonstigen Abhängigkeiten".

UPD wird zur Stiftung

Nun soll die UPD ab 2024 in einer Stiftung bürgerlichen Rechts verstetigt werden. Das Ziel sei, die UPD in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen zu überführen, heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/5334), der vergangene Woche erstmals beraten wurde. Neben den Koalitionsfraktionen befürwortet auch die Linksfraktion die Neuaufstellung der UPD. Allerdings werden in der Opposition die Stiftungsstrukturen ebenso hinterfragt wie die Finanzierung durch die Krankenkassen.

Dem Gesetzentwurf zufolge wird der zweiköpfige Vorstand von einem Stiftungsrat bestellt, der aus 13 Mitgliedern bestehen soll. Die gesetzlichen und privaten Kassen (GKV/PKV) sollen der Stiftung ab 2024 einen Gesamtbetrag von jährlich 15 Millionen Euro zuweisen. Der Anteil der PKV soll bei sieben Prozent liegen. Die jüngste Förderphase endete bereits 2022. Für 2023 gilt eine Übergangsregelung nach den bisherigen Rahmenbedingungen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, eine unabhängige Beratung sei für viele Menschen wichtig, wenn es etwa darum gehe, schnell eine Entscheidung zu treffen über eine Behandlung oder Operation. Das Beratungsangebot werde auf Dauer finanziert, die Struktur sei mit den Fachverbänden entwickelt worden, betonte Lauterbach. "Das ist ein Konsensergebnis." Er kündigte an, die Mitarbeiter der jetzigen UPD möglichst in die neue Struktur zu überführen. Lauterbach kündigte außerdem zwei Neuregelungen an, die an das Gesetz angehängt werden sollen.

Dies betreffe die bereits angekündigte Entkoppelung der Kinderärzte von der Budgetierung. Die Ärzte erhielten rückwirkend eine Vergütung für das vierte Quartal 2022 in Höhe von insgesamt 49 Millionen Euro. Als erste Facharztgruppe würden die Kinderärzte komplett aus dem Budget herausgenommen. Mit der zweiten Regelung werde ein altes Unrecht beseitigt, fügte der Minister hinzu. So sollen für Männer, die Sex mit Männern haben, künftig bei Blutspenden dieselben Regeln gelten wie bei anderen Spendern.

Hubert Hüppe (CDU) sagte, die Union stehe für eine qualifizierte, unabhängige und neutrale Beratung. Entscheidend dafür seien die Qualifikation und Motivation des Personals. Es sei daher nicht sinnvoll, dass die Leistungen der UPD immer neu ausgeschrieben würden. Da die neue UPD schon 2024 starten solle, sei der Zeitdruck groß. Er wies auf die von der GKV angekündigte Klage gegen die Finanzierung hin, auch die PKV lehne das Finanzierungsmodell ab. Diese offenen Finanzierungsfragen hätten vorher geklärt werden müssen.

Ähnliche Bedenken kamen von der AfD-Fraktion. Christina Baum (AfD) forderte, die Beratungsleistung aus Steuermitteln zu finanzieren. Baum wies auch auf Mängel in der Beratung hin. So habe die UPD in der Corona-Pandemie mitnichten auf Probleme und Missstände hingewiesen, etwa zur Frage der Unverhältnismäßigkeit von Corona-Auflagen oder zum Impfzwang.

Rednerinnen von Grünen und FDP machten deutlich, dass die UPD eine zwar wichtige, aber weitgehend unbekannte Einrichtung sei. Linda Heitmann (Grüne) sagte, die Abkürzung UPD wecke bei einem Großteil der Deutschen vermutlich die Assoziation an einen Paketdienst. Das Stiftungsmodell sei gewählt worden, um die UPD dauerhaft unabhängiger zu gestalten. Getragen werde die UPD künftig von Patientenorganisationen, die staatsfern agierten und ein gutes Beratungs-Know-how mitbrächten.

Katrin Helling-Plahr (FDP) forderte eine angepasste Beratung. Die UPD habe in der Vergangenheit 88 Prozent der Beratung telefonisch geleistet. Künftig sollte die UPD verstärkt digitale Beratungen anbieten. Die UPD müsse so bekannt gemacht werden, dass jeder sie finde.

Kritik an Privatisierung

Die Linksfraktion signalisierte Zustimmung mit Einschränkung. Kathrin Vogler (Linke) sagte: "In unserem komplizierten und von wirtschaftlichen Interessen durchsetzten Gesundheitssystem brauchen Patienten Orientierung." In vielen Situationen könne die UPD Rat und Orientierung geben. Es sei gut, dass die damals privatisierte UPD endlich wieder in die Hände von Patientenorganisationen gelange. "Die wissen am besten, wo der Schuh drückt." Auch Vogler stellte die Finanzierung durch die Krankenkassen infrage. Besser wäre aus ihrer Sicht eine Finanzierung aus Steuermitteln mit 20 Millionen Euro pro Jahr.