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Editorial : Ein wichtiger Schlüssel

Wenn fehlende Wohnungen auf entscheidende Lebensphasen von Menschen treffen, wird der Wohnungsschlüssel als Sehnsuchtsobjekt zum Schlüssel für die Stimmung im Land.

22.03.2024
2024-03-22T12:07:38.3600Z
2 Min

Den neuen Wohnungsschlüssel in Händen zu halten, das ist nach oft jahrelanger Suche und unzähligen Besichtigungen, Absagen und enttäuschten Hoffnungen der Sehnsuchtsmoment von hunderttausenden Menschen in Deutschland. Die Wohnungssuche ist seit langem reine Nervensache. Zumindest in den Zentren der Republik. Denn gleichzeitig gibt es hunderttausende leerstehende Wohnungen; sie stehen nur nicht dort, wo sie gebraucht würden. In Berlin standen beispielsweise 2022 nur rund 0,3 Prozent der Wohnungen leer. Vor zehn Jahren waren es noch über fünf Prozent.

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Laut dem Frühjahrsgutachten der "Immobilienweisen", in dem Fachleute der Immobilienwirtschaft im Auftrag des im im Lobbyregister eingetragenen   Zentralen Immobilien Ausschusses tätig sind, fehlen in diesem Jahr deutschlandweit 600.000 Wohnungen. Sie fehlen vor allem in den großen Städten, dort steigen die Mieten deshalb ungebremst. Wehe, wer dort nach der Schule ein WG-Zimmer für die Zeit der Ausbildung oder des Studiums braucht. Oder schlicht den Wunsch verspürt, statt im WG-Zimmer in einer eigenen Wohnung zu leben, mit dem Luxus, die Küche und das Bad nicht mehr teilen zu müssen. Von der Suche der Familie ganz zu schweigen, die nach der Geburt von Kindern größer wurde. Dort hilft oft nur noch die Flucht ins Umland und auch das zunehmend vergeblich. Oder sehr viel Geld.

Realitätscheck lässt befürchten: Berlin bald überall?

Besserung ist dabei nicht in Sicht, trotz vieler politischer Bemühungen. Der Realitätscheck für das Ampelziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr: Im Jahr 2022 wurden noch immerhin knapp 300.000 Wohnungen fertiggestellt, im vergangenen Jahr wurden dann nur noch 260.000 Baugenehmigungen erteilt, von Fertigstellungen nicht zu reden. Ein Tiefstwert in den vergangenen zehn Jahren. Die Kurve zeigt dabei steil nach unten. Das Statistische Bundesamt teilte für Januar dieses Jahres einen Einbruch der Baugenehmigungen von mehr als 40 Prozent gegenüber 2022 mit.

Das sind keine Zahlen, über die man hinweggehen kann. Sie sind auch ein Schlüssel für die politische Stimmung, denn bislang zerstören sie bei zu vielen Menschen die Zuversicht in jeweils entscheidenden Lebensphasen. Das könnte sich weiter verschärfen, wenn künftig in der Konsequenz der Zahlen das Bild von langen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen nicht nur in Berlin zum Alltag gehört.