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Gastkommentare : Helfen Migrationsabkommen bei Abschiebungen?

Sind Migrationsabkommen mit anderen Staaten wirklich hilfreich bei Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern? Eva Quadbeck und Hagen Strauß im Pro und Contra.

15.03.2024
2024-05-03T10:48:50.7200Z
2 Min

Pro

Migrationsabkommen sind ein vielversprechender Ansatz

Foto: Andreas Krebs
Eva Quadbeck
arbeitet beim "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Foto: Andreas Krebs

Vor dem Hintergrund, dass es in der Migrationspolitik nicht die eine Maßnahme gibt, durch die Deutschland die Zuwanderung regeln kann, braucht es eine Reihe verschiedener Ansätze. Migrationsabkommen sind dabei vielversprechend. Sie werden nicht im Handumdrehen die Zahl der Ausreisepflichtigen halbieren, können aber helfen, die oft zitierte und gewünschte "Ordnung" zu befördern.

Migrationsabkommen verpflichten nicht nur die Herkunftsstaaten, ihre illegal eingereisten Bürger wieder aufzunehmen. Sie eröffnen der Bevölkerung in den Herkunftsstaaten auch die Chance, legal als Arbeitskräfte nach Deutschland zu kommen. Für die alternde deutsche Gesellschaft ist Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zwingend erforderlich, insbesondere im Gesundheitssektor, im Transportwesen oder in der Gastronomie.

Bislang hat der deutsche Wunsch nach solchen Abkommen den Herkunftsländern ein Erpressungspotenzial geboten: Was bekommen wir, wenn wir unsere Leute zurücknehmen? Mit einer wachsenden Zahl an Abkommen steigt der Druck auf andere Herkunftsländer, sich auf einen solchen Deal einzulassen. Zumal es bei den Abkommen um mehr geht als Migration: Visa-Erleichterungen, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Technologie-Transfer. In einer multipolaren Welt sollte Deutschland ohnehin jede Chance für gute bilaterale Beziehungen nutzen. Wo stabile Demokratien keine Präsenz zeigen, kümmern sich China oder Russland.

Aus der Perspektive der Menschenrechte sind die Abkommen zudem zu begrüßen. Sie sorgen mit ihren festgelegten Standards dafür, dass die Migranten bei der Abschiebung nicht Behördenwillkür ausgesetzt sind.

Contra

Rückführungsabkommen können nur ein Puzzleteil sein

Foto: privat
Hagen Strauß
arbeitet bei "Rheinische Post" in Düsseldorf.
Foto: privat

Schon für Angela Merkel waren Rückführungsabkommen für Menschen ohne Aussicht auf Asyl ein wichtiger Bestandteil ihrer Migrationspolitik - und auch ein besänftigendes Argument im Streit mit der CSU über den richtigen Kurs. Die Bilanz der Ex-Kanzlerin: mager. Auch die Ampel setzt nun verstärkt auf diese Abkommen; selbst einen Beauftragten gibt es. Die Bilanz der Koalition: durchwachsen. Oder anders: Der große Wurf ist noch ausgeblieben.

Denn bisher ist es nur gelungen, Vereinbarungen mit Ländern zu treffen, deren Bürger für die Statistik nicht bedeutsam sind oder die ohnehin eine extrem geringe Anerkennungsquote haben. Bei den Staaten, die zur Reduzierung der Zahlen wichtig wären, tut sich nichts. Kein Wunder. Wer hier erfolgreich sein will, benötigt international Verbündete, muss politischen Druck ausüben können und braucht vor allem Geld, viel Geld. Doch daran mangelt es erst recht seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts.

Ohne das Herkunftsland ist es aber unmöglich, gegen illegale Zuwanderung vorzugehen und die gewollte Einwanderung von Arbeitskräften zu ermöglichen. So einfach ist die Gleichung. Ohnehin können Rückführungsabkommen nur ein Puzzleteil bei der Bewältigung der Migrationsprobleme sein, weil durch sie die strukturellen Verwerfungen des Asylsystems nicht gelöst werden. Die sind gravierend. Überforderte Behörden, zu lange Verfahren, Stellenkürzungen beim zuständigen Bundesamt, um nur wenige zu nennen. Bund und Länder haben erhebliche Defizite angehäuft. Dazu die Uneinigkeit auf europäischer Ebene. Ein realistischerer Blick auf Rückführungsabkommen ist daher dringend erforderlich. Sowie viele Maßnahmen mehr.

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