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Innere Sicherheit : Streit über "Clankriminalität"

Die Unionsfraktion fordert eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber sogenannter Clankriminaliät. Darüber kommt es kurz vor den Landtagswahlen zu einem heftigen Streit.

30.09.2023
2024-01-30T11:02:11.3600Z
4 Min

Der Innenausschuss hatte am Mittwoch gerade einen Antrag der AfD-Fraktion  zur Bekämpfung der sogenannten Clankriminalität mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Doch damit war das Thema nicht vom Tisch, denn noch am selben Tag legte die Unionsfraktion einen eigenen Antrag vor, in dem sie eine "Null Toleranz bei Clankriminaliät" fordert. Am Freitag folgte eine Debatte darüber im Bundestag und der scharfe Tonfall offenbarte eine gewisse Anspannung bei allen Beteiligten - kurz vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober.

Seit einigen Jahren rückt dieses Thema als ein Aspekt der Organisierten Kriminalität (OK) auch abseits von Wahlen regelmäßig in den Fokus der Öffentlichkeit, sei es durch spektakuläre Raubüberfälle wie jenem auf das Grüne Gewölbe in Dresden Ende 2019 oder Massenschlägereien rivalisierender Familien auf offener Straße. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte sich 2018 im "Bundeslagebild Organisierte Kriminalität" erstmals zu "kriminellen Mitgliedern ethnisch abgeschotteter Subkulturen" unter der Überschrift "Clankriminalität" geäußert, nach der letzten Herbsttagung des BKA im November 2022 legte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine 20-Punkte-Strategie für den Ausbau der Ermittlungs- und Analysefähigkeit des BKA und der effektiven Vermögensabschöpfung sowie für eine stärkere nationale und internationale Zusammenarbeit vor.

Doch sowohl der AfD, die schon mehrere Anträge zu diesem Komplex formuliert hat, als auch der Unionsfraktion reicht das alles nicht aus. Die CDU/CSU-Fraktion schreibt in ihrem Antrag: "Ziel muss es sein, den Mechanismus zu durchbrechen, mit dem die Missachtung von Recht und Gesetz von einer Generation auf die nächste innerhalb der Clanfamilie weitergegeben wird." Sie kritisiert unter anderem, dass es innerhalb der Bundesregierung bis heute keine Definition von Clankriminalität gebe und die konkrete Ausgestaltung der "Allianz gegen Clankriminalität" weiter offen bleibe.

Foto: picture-alliance/EPA/MATTHIAS RIETSCHEL/POOL

Spektakulärer Fall von Organisierter Kriminalität: Juwelen im Wert von mehr 100 Millionen Euro stahlen Mitglieder des Remmo-Clans aus dem Grünen Gewölbe in Dresden. Am 16. Mai 2023 verhängte das Landgericht Dresden mehrjährige Haftstrafen gegen die Angeklagten.

Für eine Beweislastumkehr

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem auf, die Beschaffung und den Einsatz der für alle Länder und den Bund abrufbaren "Verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform (VeRA)" unverzüglich sicherzustellen. Ab 2024 soll einmal jährlich ein Bundeslagebild Clankriminalität vorgelegt werden. Zudem soll "verfassungskonform und rechtssicher" geregelt werden, dass bei Vermögen unklarer Herkunft außerhalb eines strafprozessualen Anfangsverdachts Ermittlungen durchgeführt werden können und bei der Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft künftig eine vollständige Beweislastumkehr gilt. Auch soll die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der regelt, dass Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit, die an Clankriminalität oder OK nachweisbar festgestellt mitgewirkt haben, die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt werden kann.

In der Debatte reagierten alle anderen Fraktionen des Bundestages mit harscher Kritik auf den Antrag der Unionsfraktion - und dies nicht, weil sie keinen Handlungsbedarf sehen. Die AfD warf der Unionsfraktion "Doppelzüngigkeit" und Ideenraub vor; die Ampel-Fraktionen wiesen den Vorwurf der Tatenlosigkeit scharf von sich und listeten auf, was sie in den vergangenen zwei Jahren angestoßen haben; Die Linke kritisierte, dass der Antrag ein Anbiedern der Union an den rechten politischen Rand sei und es um einen Überbietungswettbewerb mit der AfD gehe.

Schützenhilfe holte sich die Union aus den Bundesländern. Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) verteidigte den Antrag und warf Innenministerin Faeser vor, die Länder im Stich zu lassen. Diese blockiere die Analyseplattform VeRa, weil sie offensichtlich ein eigenes Portal wolle. Das aufzubauen aber werde Jahre dauern, so Poseck. Für die Unionsfraktion sprang Moritz Oppelt (CDU) dem Minister bei: Die Koalition verheddere sich in Streitigkeiten, sie müsse den Ländern endlich die nötigen Mittel an die Hand geben, forderte er.

Auch wenn es inhaltlich viele Übereinstimmungen zu AfD-Anträgen gibt, griff deren Redner Martin Baumann die Union scharf an: Diese handele nicht aus Überzeugung, sondern reagiere auf Umfragewerte der AfD und würde sich im Zweifel wieder dem "linksgrünen Mainstream" anschließen. Für Die Linke sagte Martina Renner: "Inhaltlich ist doch alles klar. Organisierte Kriminalität muss bekämpft werden, weil sie den Rechtsstaat schädigt und Milliardenschäden verursacht." Die CDU diskutiere aber nicht mehr sachlich, sondern auf eine rechtspopulistische Art und Weise.

Fehler der Vergangenheit

Sebastian Fiedler (SPD) sprach von "billigem Hessen-Wahlkampf" und attestierte der Union, die Definition von Clankriminalität nicht verstanden zu haben. Auch laufe die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden viel besser, als von der Union dargestellt. Marcel Emmerich (Grüne) betonte: "Es gibt in Deutschland keine Sippenhaft und es darf auch keine geben." Genau dies strebe die Union aber an. Manuel Höferlin (FDP) bekräftigte, die Ampel-Regierung sei intensiv dabei, die Fehler der Vergangenheit auszubügeln. Die Gesetzesinitiative des Bundesfinanzministeriums, um Geldströme besser nachvollziehen zu können, sei nur ein Beispiel, sagte er.