
Teilhabe von Menschen mit Behinderung : Grüne warnen vor Rollback bei Inklusion
Der Bundestag debattiert über einen Antrag der Grünen. Die Fraktion fordert darin, das personenzentrierte Teilhaberecht nicht dem Sparzwang zu opfern.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen durch Äußerungen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen ernsthaft bedroht. Deshalb hat sie mit einem Antrag dafür gesorgt, dass das Thema am Donnerstagabend auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt wurde. Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
Statt Fürsorgesystem fordern die Grünen ein echtes Teilhaberecht
Die Grünen schreiben darin: "Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte einen wichtigen Paradigmenwechsel in der deutschen Inklusionspolitik einleiten und die menschenrechtlich gebotenen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen: weg vom Fürsorgesystem hin zu einem personenzentrierten Teilhaberecht." Allerdings drohten unter dem Vorwand der "Entbürokratisierung" eine Aushöhlung der UN-Behindertenrechtskonvention und ein Rollback in die 1990er-Jahre, kritisieren sie.
„Es darf keine Haushaltssperren für das Menschenrecht auf Teilhabe geben.“
Die Fraktion fordert unter anderem, das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen auszubauen und ein echtes Teilhaberecht zu schaffen. Unter anderem sollen individuelle Bedarfsermittlungen und personenzentrierte Leistungen erhalten bleiben, die behördliche Belegungsrechte ausschließen, die dem Selbstbestimmungsrecht entgegenstehen.
Bedarfsermittlungsinstrumente müssten die Individualität, Personenzentrierung und Angebotsvielfalt sichern. Die Unterscheidung zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen soll endgültig aufgehoben werden, um "Leistungen aus einer Hand" zu ermöglichen.
Runder Tisch von Politik und Reha-Trägern soll Eingliederungshilfe voranbringen
Corinna Rüffer (Grüne) zeigte sich in der Debatte sehr emotional und appellierte an ihre Kollegen, das BTHG nicht zu verwässern. "Es ist eine konzertierte Aktion, die wir gerade erleben. Sie fing schon im Wahlkampf an mit Diskussionen um Barrierefreiheit." Es gehe in der aktuellen Diskussion plötzlich wieder um Unterbringung in Heimen statt Teilhabe mitten in der Gesellschaft, sagte sie unter anderem in Bezug auf eine Stellungnahme des Landkreistages für die Sozialstaatskommission.
Das wiesen Vertreter der Koalitionsfraktionen entschieden zurück: So erwiderte Wilfried Oellers (CDU): "Uns geht es um Ausgabenprüfungen und darum, Leistungen langfristig sicherzustellen." Das BTHG sei ein wichtiger Schritt hin zu Ermöglichung und Teilhabe gewesen, aber die Umsetzung laufe nicht rund, sagte Oellers und verwies auf zunehmende Alarmsignale aus den Kommunen. Heike Heubach (SPD) versprach: "Wir wollen das BTHG nicht nur erhalten, sondern es weiterentwickeln." Deshalb habe sich die Koalition auf einen Runden Tisch von Bund, Ländern, Kommunen und Reha-Trägern geeinigt, um die Eingliederungshilfe voranzubringen. Bürokratie müsse abgebaut werden, zum Beispiel durch den Wegfall der Einkommensprüfung, so Heubach.
Das Bundesteilhabegesetz bedeute vielfach Bevormundung und Ausgrenzung
Für die AfD-Fraktion kritisierte Jan Feser "worthülsenartige Formulierungen" in dem Antrag, der auf Annahmen beruhe, die bestenfalls nicht belegt seien, und Forderungen enthalte, durch die das eigentliche Problem nur kaschiert werde.
Sören Pellmann (Die Linke) warnte: "Es darf keine Haushaltssperren für das Menschenrecht auf Teilhabe geben." Allerdings sei das BTHG bei seiner Einführung schon "kein großer Wurf und ein Bürokratiemonster" gewesen und bedeute vielfach Bevormundung und Ausgrenzung unter neuem Namen.