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Foto: picture alliance/dpa/Volkmar Heinz
Problematischer Publikumsmagnet im Zoo: der Eisbär.

Artenschutz : Pro und Contra: Sind Zoos mehr Chance oder Schaden?

Zoologische Gärten tragen mit ihren Zuchtprogrammen zum Erhalt der Arten bei. Doch gibt es Kritik an den Bedingungen. Ein Pro und Contra.

02.01.2023
2024-03-11T11:28:16.3600Z
5 Min

Pro: Volker Homes (Verband der Zoologischen Gärten)

"Für moderne Zoos steht der Erhalt der Arten in der Wildnis an erster Stelle"

Es gibt rund 200 Tierarten, bei denen Zoos eine entscheidende Rolle darin gespielt haben, dass diese überleben konnten. Europäische Wisente zum Beispiel oder Przewalski-Pferde wären bereits ausgestorben, hätten die Zoos sie nicht wieder in der freien Wildbahn angesiedelt. Alleine in den Jahren 2018 und 2019 wurden aus den Mitgliedzoos des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ) mehr als 3.000 Tiere aus 46 Arten in die Wildnis zurückgebracht, darunter der Europäische Feldhamster, das Europäische Wisent und der Waldrapp. In dieser Funktion werden moderne Zoos immer wichtiger, denn gerade die kleinen Arten aus der Gruppe der Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische brauchen zukünftig mehr Erhaltung durch Nachzucht und Wiederansiedlung.

Moderne Zoos haben sich dem Erhalt von Ökosystemen, Arten und genetischer Vielfalt verschrieben. Zoos sind einzigartige Orte mit einer Vielfalt an Arten, die gepflegt, gezüchtet und, wo machbar, wieder in die Wildnis verbracht werden. Dass Zoos inzwischen Artenschutzzentren sind, liegt nicht nur an den engagierten Mitarbeitern, sondern ist die Voraussetzung, um in der EU als Zoo anerkannt zu werden.

Vielfalt der Arten wird erlebbar

Den Rahmen setzen die EU-Zoorichtline und das Bundesnaturschutzgesetz. Artenschutz steht bei den Zoos für den Erhalt von Arten in der Wildnis, in menschlicher Obhut, für die Forschung sowie die Bildung von Millionen von Menschen, die die Zoos besuchen.

Für moderne Zoos steht der Erhalt der Arten in der Wildnis dabei an erster Stelle. Die Roten Listen bedrohter Arten der Weltnaturschutzunion IUCN werden jedes Jahr länger und Experten des Weltbiodiversitätsrates rechnen mit mehr als einer Million Arten, die in den kommenden Jahrzehnten aussterben können. Es ist daher höchste Zeit, zu handeln.

Dass diese Aufgabe von der gesamten Gesellschaft getragen werden muss, steht außer Frage. Zoos können Wissen vermitteln, die Vielfalt der Arten aufzeigen und noch mehr: sie erlebbar machen. Im Jahr 2019 besuchten über 45 Millionen Menschen die 71 VdZ-Zoos in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Spanien. Von diesen wiederum wurden über 1,2 Millionen Menschen durch besondere Bildungsangebote zur Nachhaltigkeit angesprochen, etwa in Führungen oder bei Besuchen der Zooschulen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene profitieren dabei am größten außerschulischen Bildungsort für Natur von diesen Angeboten und das, wie Studien belegen, mit Erfolg. Auch in der Naturbewusstseinsstudie des Bundesamtes für Naturschutz stehen Zoos hoch im Kurs.


„Bildung, Forschung und Programme zur Auswilderung sind Teil der Arbeit von Zoos.“

In der Wildnis liegt die Quote der bedrohten Arten bei etwa 30 Prozent und so ist es auch etwa bei den im Zoo gehaltenen Arten. Ein einzigartiger Beitrag von Zoos sind die Arterhaltungszucht-Programme (EEPs). Hier arbeiten die Einrichtungen des Europäischen Zooverbands EAZA in mehr als 400 EEPs zumeist zu bedrohte Arten zusammen, wie zu Menschenaffen-, Kranich- oder Fischarten, von denen letztere in der Natur teilweise bereits ausgestorben sind.

Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Tierhaltungen

Zusammengenommen sind es weltweit über 1.000 Arterhaltungszucht-Programme, in denen die Zoos international engagiert sind. Das Gute daran ist, dass diese Tiere zum Erhalt der Arten getauscht und nur noch selten der Wildnis entnommen werden. Die meisten Tiere kommen aus erfolgreicher Nachzucht.

Bedeutend ist auch die Kooperation von öffentlichen Tierhaltungen mit Privathaltern im Programm "Citizen Conservation". Denn häufig gibt es nicht ausreichend Platz für die Haltung in menschlicher Obhut, so dass ausgewählte Privathalter ihre Expertise einbringen, zum Beispiel beim vom Aussterben bedrohten "Schrecklichen Pfeilgiftfrosch". Zoos investieren auch immer mehr Geld in die Wildnis, etwa in Kooperationen mit Naturschutzorganisationen wie der Stiftung Artenschutz. Sie spielen eine zunehmende Rolle als Teil der Lösung der Artenkrise. Denn nur wenn die Menschen die Arten kennen, werden sie sich für deren Schutz einsetzen.

Volker Homes ist Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten.


Contra: James Brückner (Deutscher Tierschutzbund)

"Die Idee von Eisbären als Klimabotschafter verfängt aus Tierschutzsicht nicht"

Die qualitativen Unterschiede bei der Tierhaltung sind in den geschätzt über 800 Zoos und zooähnlichen Einrichtungen in Deutschland durchaus gravierend. Doch nach wie vor findet man in nahezu jedem Zoo Haltungen vor, die unzureichend oder veraltet sind oder nicht einmal den vorgegebenen Mindestanforderungen genügen!

Wenn Gehege, Fütterung, Sozialstruktur und Beschäftigungsmanagement nicht optimal auf die Bedürfnisse der jeweiligen Tiere angepasst sind, muss nachgebessert oder auf die Haltung verzichtet werden.

Keine Eisbären und Delfine ins Zoos

Tierarten, deren anspruchsvollen Bedürfnissen man in Gefangenschaft grundsätzlich nicht gerecht werden kann, haben heutzutage in Zoos nichts (mehr) verloren. Dazu zählen Eisbären oder Delfine. Auch sollten wir uns die ethische Frage stellen, inwiefern wir Menschenaffen, unsere nächsten Verwandten, weiter zur Schau stellen wollen. Oft sind es aber genau diese "exotischen" Säugetierarten, die den Zoos als Besuchermagneten dienen. Ihre Haltung wird häufig damit gerechtfertigt, dass sie als Botschafter ihrer Art die Menschen für den Artenschutz und den Schutz des Lebensraums sensibilisieren sollen. Es darf allerdings stark bezweifelt werden, dass dieser Weg erfolgversprechend ist. Kaum jemand wird durch einen Zoobesuch nachhaltig das eigene Konsumverhalten ändern, Energie sparen oder sich verstärkt für Artenschutz einsetzen. Die Idee von Eisbären als Klimabotschafter, um ein prominentes Beispiel zu nennen, verfängt aus Tierschutzsicht nicht. Hinzu kommt: Obwohl Zoos insbesondere den Artenschutz als eine ihrer bedeutsamsten Aufgaben anführen, sind viele Tierarten gar nicht für eine Wiederauswilderung vorgesehen - darunter beliebte "Vorzeigearten" wie Elefanten, Tiger, Pinguine, Kängurus oder Giraffen. Weltweit konnten gerade einmal 50 Tierarten, die in freier Wildbahn bereits ausgestorben waren, durch gezielte Erhaltungszucht mit der Hilfe von zoologischen Einrichtungen bewahrt werden.


„Wenn die Arterhaltung dem Tierschutz übergeordnet wird, wird es problematisch.“

Auch wenn jeder Bartgeier, Feldhamster oder Wisent, der wieder in freier Wildbahn zu beobachten ist, einen Erfolg darstellt, sollte man dies in Relation sehen: Angesichts von jeweils zig Tausenden Arten von Amphibien, Reptilien oder Säugetieren, die nach Einstufung in der Roten Liste der IUCN weltweit als gefährdet gelten und etwa einer Million Arten, die gemäß dem letzten Bericht des Weltbiodiversitätsrats dem Aussterben entgegengehen, kann Erhaltungszucht in Zoos kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.

Wenn Tiere werden ihrer Haltung angepasst werden

Problematisch wird es vor allem dann, wenn der Artenschutz dem Tierschutz übergeordnet wird. Häufig auftretende Verhaltensstörungen - etwa, wenn Eisbären und Tiger ruhelos die immer selben Wege ablaufen oder Menschenaffen ihre Nahrung erbrechen und erneut aufnehmen - sind deutliche Zeichen dafür, dass man trotz jahrzehntelanger Erfahrung von einer problemlosen Haltung dieser Tierarten meilenweit entfernt ist. Wenn Vögel auf Freianlagen flugunfähig gemacht werden, beraubt man sie wesentlicher Verhaltensweisen. Anstatt die Haltungsumgebung den Bedürfnissen der Tiere anzupassen, werden die Tiere ihrer Haltung angepasst. Ein No-Go. Und wenn Populationsmanagement bedeutet, dass man Tiere erst vermehrt und die "unbrauchbaren" oder überzähligen dann tötet, so müssen wir als Gesellschaft darüber reden, ob das im Namen des Artenschutzes zulässig sein kann.

Die Rettung von Arten ist ein hehres Ziel, kann und darf aber nicht alles rechtfertigen, insbesondere nicht das Zufügen von Leid oder das Ignorieren von Einzelschicksalen. Statt in Zoos nur Museumstiere zu "erhalten", müssen wir Artenvielfalt vor allem in der Natur bewahren und die Triebkräfte des Biodiversitätsverlusts eindämmen. Zoos können hier an der einen oder anderen Stelle sicher unterstützen, solange eine artgerechte Tierhaltung gewährleistet ist und jedes Erhaltungszuchtprogramm mit einem konkreten Projekt "in-situ" verbunden wird. Artenschutz im Zoo ist zu unterstützen, aber nicht um jeden Preis!

James Brückner ist Leiter des Artenschutzreferats beim Deutschen Tierschutzbund.