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Kurz rezensiert : Angelesen

01.02.2010
2023-08-30T11:25:46.7200Z
3 Min

Der tschechische Politikwissenschaftler Lukas Novotný untersucht in seiner bemerkenswerten Studie die Einstellung von Deutschen und Tschechen zu den bilateralen Beziehungen beider Staaten im 20. Jahrhundert. Der Schwerpunkt seines Buches liegt - wie nicht anders zu erwarten - auf der Darstellung der Haltung von Tschechen und Deutschen zum "geordneten Transfer" beziehungsweise zu den "wilden Vertreibungen": Es geht um die vom tschechischen Staat organisierten und in den so genannten Beneš-Dekreten verankerte Enteignung und Vertreibung der "Deutschen, Magyaren und anderer Staatsfeinde" in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Novotný betont, dass bis heute in Tschechien, insbesondere in den Grenzgebieten, die Meinung vorherrsche, die Vertreibung der Sudetendeutschen sei berechtigt und notwendig gewesen. Am Ende spricht der Autor eine nüchternde Empfehlung aus: Die beiden Völkern sollten sich damit abfinden, dass es mindestens zwei Wahrheiten gebe. Wichtig sei nur, dass keine Seite der anderen ihre Wahrheit aufzwinge.

Lukas Novotný:

Vergangenheits- diskurse zwischen Deutschen und Tschechen.

Nomos Verlag, Baden-Baden 2009; 269 S., 39 €

Sind Frauenbewegung und Feminismus nicht dasselbe? Diese Frage werden sich wahrscheinlich vor allem jene Leser stellen, die das Thema eher am Rande interessiert. Oder jene, für die Frauenrechte unwichtig sind oder mit Männerfeindlichkeit assoziiert werden. Um sich von solch verengten Fragestellungen zu lösen, ist es manchmal besser, nicht nur in die 1970er Jahre, sondern weiter in die Geschichte zurückzuschauen.

Dafür genehmigt sich Ute Gerhard gerade einmal 120 Seiten in dem ohnehin kleinen Format der Reihe "Wissen" des Beck Verlages. Diese Reihe kann nicht mehr leisten, als einen Einstieg in ein Thema zu bieten. Die Soziologin Ute Gerhard tut dies ohne erhobenen Zeigefinger und dennoch klar positioniert. Beginnend mit der Französischen Revolution 1789 über die öffentliche Rolle von Frauen während der 1848er-Revolution bis zur "neuen Frauenbewegung" bietet die Lektüre einen differenzierten Überblick. An dessen Ende erfährt man eine Menge über die Vielschichtigkeit des Kampfes für Frauenrechte, der mit der Erstreitung grundlegender staatsbürgerlicher Rechte begann und nicht mit der Frage der Kinderbetreuungsplätze. Und darüber, dass die Begriffe Frauenbewegung und Feminismus nicht unbedingt dasselbe meinen.

Ute Gerhard:

Frauenbewegung und Feminismus. Eine Geschichte seit 1789.

Verlag C.H. Beck, München 2009; 128 S., 8,95 €

Während einer Senats-Anhörung im Jahr 1946 wurde Robert Oppenheimer, der Vater der Atombombe, gefragt, ob drei oder vier Männer Teile einer Atombombe nach New York schmuggeln und die Stadt in die Luft jagen könnten. Oppenheimers Antwort: "Natürlich geht das, solche Leute könnten ganz New York zerstören." Mit seinen Warnungen vor den Gefahren eines Nuklearkonflikts machte sich der Physiker in Washington Feinde. Sie stießen sich an seinem Widerstand gegen die US-Verteidigungspolitik zu Beginn des Kalten Krieges, die sich auf die strategische Bombardierung gegnerischer Städte mit Atomwaffen im Kriegsfall stützte. Sein Plan einer internationalen Kontrolle der Atomenergie scheiterte.

Die mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Biographie ist das Ergebnis einer mehr als 20-jährigen Spurensuche. Bei ihren Archiv-Recherchen fanden die Autoren Kai Bird und Martin J. Sherwin das einige Tausend Seiten umfassende Dossier des FBI. Die Bundespolizei hatte "Dr. Atomic" 25 Jahre lang bespitzelt. Ihr Buch ist äußerst empfehlenswert: Es bringt dem Lesen nicht nur den Physiker Oppenheimer näher, sondern ganz nebenbei wird die politische Geschichte der USA im 20. Jahrhundert vermittelt.

Kai Bird, Martin J. Sherwin:

Robert Oppenheimer. Die Biographie.

Propyläen Verlag, Berlin 2009; 672 S., 29,95 €