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Nachschlag im Parlament

UNIVERSITÄTEN Die Grünen fordern eine Qualitätssicherung für Promotionen

28.03.2011
2023-08-30T12:16:40.7200Z
3 Min

Dieser Antrag liest sich wie eine nachträgliche Ohrfeige für den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU): Die Bundesregierung, so steht da zu lesen, müsse "öffentlich und unmissverständlich klarstellen, dass Betrug und Diebstahl geistigen Eigentums in der Wissenschaft keine Bagatelldelikte sind". Außerdem müsse die Regierung "zum Schutz des hohen Ansehens der deutschen Promotion gemeinsam mit den Ländern und den Wissenschaftsorganisationen auf einheitliche Qualitätsstandards" drängen. Und an allen Universitäten sollten zukünftig die Promovierenden eine eidesstattliche Erklärung unterzeichnen, dass sie ihre Doktorarbeit "selbstständig und lediglich unter Benutzung der angegebenen Quellen und Hilfsmittel abgefasst" haben.

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Vorwürfe gegen zu Guttenberg, bei seiner Doktorarbeit handle es sich um ein Plagiat, erneut aufgegriffen und dem Parlament einen Antrag zur "wissenschaftlichen Redlichkeit" und zur "Qualitätssicherung bei Promotionen" (17/5195) vorlegt.

Vor dem Hintergrund der aufgeregten medialen und öffentlichen Diskussion über die sogenannte Plagiats-Affäre und den daraus resultierenden Rücktritt des Verteidigungsministers, versprach die erste Lesung des Antrags am vergangenen Donnerstag einen erneuten heftigen Schlagabtausch zwischen den Oppositionsfraktionen und der CDU/CSU-Fraktion. Doch die Aussprache fiel anderen Themen an einem langen Tag im Plenum zum Opfer. Schließlich gaben die Abgeordneten ihre geplanten Redebeiträge schriftlich zu Protokoll - das übliche Verfahren, wenn der Uhrzeiger unaufhaltsam auf Mitternacht zumarschiert.

Aber auch die schriftlichen Einlassungen aus den Reihen der Unionsfraktion in Richtung der Grünen fielen wie erwartet aus. Die Abgeordnete Monika Grütters (CDU), zugleich Vorsitzende des Kulturausschusses, stellte die eher rhetorische Frage, wie weit es den Antragstellern denn wirklich um die "Redlichkeit in der Wissenschaft" gehe oder ob "nicht wieder einmal ein bisschen Wahlkampf" im Spiel sei. Ihr bayerischer Kollege Reinhard Brandl von der CSU wurde da schon deutlicher: "Wir erleben heute ein klassisches Politikmuster: Zuerst gibt es einen medial bedeutsamen Vorfall und dann kommt die Opposition, die mit heißer Nadel Anträge strickt und damit versucht, auf der abklingenden medialen Welle doch noch ein Stück weiterzureiten", gab der Parlamentarier zu Protokoll. Zumindest ließ seine Analyse darauf schließen, dass dies unter umgekehrten politischen Vorzeichen ebenso verlaufen würde.

Freiheit der Wissenschaft

Abseits der üblichen politischen Sticheleien sind sich die Abgeordneten natürlich durchaus bewusst, dass das angesprochene Problem nicht ohne weiteres zu übergehen ist. Monika Grütters wies die Grünen aber darauf hin, dass sich das Wissenschaftssystem in Deutschland schließlich selbst seine Regeln gebe und die Politik gut beraten sei, sich herauszuhalten: "Nicht ohne Grund postuliert das Grundgesetz unmissverständlich die Freiheit der Wissenschaft in seinem Artikel 5."

Die Grünen hingegen sehen Wissenschaft und Politik in der Pflicht. Die Politik müsse gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz, dem Wissenschaftsrat, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den Universitäten die Qualitätssicherung bei Promotionen überprüfen, forderte Krista Sager für ihre Fraktion.

Der FDP-Parlamentarier Martin Neumann argumentierte hingen wie Grütters: "Wir vertrauen im Kampf gegen Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten auf die Selbstkontrollmechanismen der Hochschulen und sonstigen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen", ließ er wissen. Seine Fraktion lehne es ab, "eine weitere Verrechtlichung und Bürokratisierung der deutschen Hochschulen voranzutreiben". Der Liberale empörte sich zugleich, dass die Grünen den Fall Guttenberg nutzten, die Promovierenden in Deutschland "unter den Generalverdacht zu stellen, mit ,Copy and Paste'-Techniken auf Titeljagd zu gehen".

Auch der SPD-Abgeordnete René Röspel attestierte dem Wissenschaftsbetrieb, dass er konsequent Instrumente entwickelt habe, um gegen Fehlverhalten vorzugehen. Allerdings sei es richtig, das Thema aufzugreifen und es "nicht mit dem Rücktritt Guttenbergs auf sich beruhen zu lassen". Der Antrag der Grünen greife jedoch zu kurz. Fehlverhalten gebe es nicht nur bei Promotionen, sondern auch bei Habilitationen, bei Bachelor- und Masterarbeiten. Die SPD werde einen eigenen Antrag vorlegen.

Trotz prinzipieller Zustimmung zum Antrag der Grünen wünschte sich auch Petra Sitte von der Linksfraktion eine breitere Debatte und geißelte das System der akademischen Nachwuchsgewinung, in dem nicht nur wissenschaftliche, sondern auch persönliche oder gar politische Beziehungen eine große Rolle spielten.