Piwik Webtracking Image

Ideologie in Fußballschuhen

SPORT Für rechtsextreme Einflüsterer sind insbesondere Amateurvereine anfällig. Der Bundestag streitet über Rezepte

14.11.2011
2023-08-30T12:16:52.7200Z
4 Min

Im Sommer 2010 sorgte der Fall Lutz Battke bundesweit für Schlagzeilen. Der für die NPD im Stadtrat von Laucha (Sachsen-Anhalt) und im Kreisrat des Burgenlandkreises sitzende 53-jährige mit dem schmalen Unter-Nasen-Bärtchen trainierte die Fußball-Jugend des BSC Laucha. Und das schon seit mehr als zehn Jahren, ohne dass dies vor Ort als problematisch eingestuft worden wäre. Der Fall Battke sei typisch für das Vorgehen der NPD, sagt Torsten Hahnel vom Verein Miteinander, dem Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt, der Zeitung "Das Parlament". Battke setze "die Normalisierungsstrategie der NPD perfekt um", betont Hahnel, der frühzeitig versuchte, gegen das Engagement des rechtsextremen Übungsleiters vorzugehen. "Die Presse wurde aber erst aufmerksam, nachdem ein jüdischer Junge von einem Spieler des BSC Laucha zusammengeschlagen wurde. Dann erst kam der Stein ins Rollen", fügt er hinzu. Mit der Folge, dass Battke auf Druck des Landessportbundes nicht mehr als Nachwuchstrainer fungieren durfte. Hahnel macht sich dennoch keine Illusionen: Zwar sei Battke, der bei den Landtagswahlen im März für die NPD antrat, suspendiert. "Er hat aber immer noch Einfluss im Verein."

Lutz Battke ist kein Einzelfall, wie der Sportjournalist Ronny Blaschke in seinem Buch "Angriff von Rechtsaußen" aufzeigt. So organisierte laut Blaschke der Neonazi Tommy Frenck in der thüringischen Kleinstadt Hildburghausen Grillfeste, Konzerte, Kundgebungen und Vorträge. In seinem Fußballverein SV Germania führte er Jugendliche an die Kameradschaftsszene heran, um als Mitglied des Kreistages von ihrer Unterstützung zu profitieren.

»Anliegen berechtigt«

Sowohl bei der Bundesregierung als auch bei sämtlichen Fraktionen des Bundestages ist ein Bewusstsein für die Problematik vorhanden. Das wurde während einer Plenardebatte am vergangenen Donnerstag zu einem Antrag der SPD-Fraktion (17/5045) deutlich, in dem die Abgeordneten fordern, rechtsextremistische Einstellungen im Sport konsequent zu bekämpfen. Der Antrag sei "im Anliegen berechtigt", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Christoph Bergner (CDU). Der Obmann der FDP-Fraktion im Sportausschuss, Lutz Knopek, sagte, es sei gut, dass über die Problematik im Plenum diskutiert werde. Unions-Sportexperte Frank Steffel zeigte sich erfreut, dass offenbar Einigkeit über die Bedeutung des Themas herrsche. Und dennoch: Zu einer Zustimmung konnte sich die Koalition nicht durchringen.

Gemeinsame Kampagne

Dem Antrag fehlten Anknüpfungspunkte an bestehende Kampagnen, kritisierte Bergner und bezog sich dabei insbesondere auf die von der Bundesregierung gemeinsam mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, der Deutschen Sportjugend sowie dem Deutsche Fußballbund Anfang des Jahres gestarteten Initiative "Verein(t) gegen Rechtsextremismus". Diese Kampagne zeige, dass die Bundesregierung nichts versäumt habe, wie der Antrag unterstelle, ergänzte Knopek. Seiner Ansicht nach gelte es zudem, den Blick auf andere Formen des Extremismus zu richten. Die Unionsfraktion sei mit einigen Forderungen in dem Antrag nicht einverstanden, sagte Frank Steffel. Das "parlamentarische Verfahren" fordere daher, die Vorlage abzulehnen. "Wir lassen uns damit aber nicht unterstellen, wir würden das Thema nicht ernst nehmen", betonte er.

Die Opposition wiederum kritisierte, dass die Bundesregierung zwar "viel ankündigt, am Ende aber viel zu wenig passiert", wie es der Obmann der SPD-Fraktion im Sportausschuss, Martin Gerster, formulierte. So gebe es das geplante "Gütesiegel" zur klaren Positionierung eines Vereins gegen Rechtsextremismus noch immer nicht. Auch die Finanzierung kleinerer Projekte im Kampf gegen Rechtsextremismus im Sport sei nicht nachhaltig geklärt, ergänzte Gersters Fraktionskollege Sönke Rix.

Das Problem der zeitlichen Befristungen, oftmals auf ein Jahr, macht auch Torsten Hahnel vom Verein Miteinander zu schaffen. "Jedes Mal zum Jahreswechsel wissen wir nicht, ob es im kommenden Jahr weitergeht." Diese Unsicherheit führe auch zu einer Fluktuation bei den Mitarbeitern. Dabei habe er in der Vergangenheit oft festgestellt, dass "wir ein gutes Feedback für unsere Arbeit bekommen, weil sie als wichtig und professionell wahrgenommen wird", betont Hahnel.

Die Rechtsextremismus-Expertin der Grünen-Fraktion, Monika Lazar, wies in der Debatte darauf hin, dass "sozialpädagogische Arbeit ausgeweitet und nicht gekürzt werden darf". Angesichts dessen sei es für sie "nicht nachvollziehbar", wenn Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Kürzungen bei der Koordinationsstelle Fanprojekte plane. Wie man erfolgreich gegen Rechtsextremisten, die im Vereinssport Fuß zu fassen suchen, vorgeht, habe der Bürgermeister von Hildburghausen gezeigt, sagte Linksparlamentarier Jens Petermann. Dem SV Germania Hildburghausen habe die Stadt die Benutzung der kommunalen Sportplätze untersagt. Der Kreissportverband habe zudem die Anerkennung als Verein verweigert, womit der Neonazi-Zusammenschluss von der Bildfläche verbannt worden sei, sagte Petermann, der zugleich die in dem SPD-Antrag erhobene Forderung nach dauerhaften Förderstrukturen für Verbände und Vereine unterstützte.

Kompetenzfrage

Der Hoffnung auf zusätzliche Gelder aus dem Bundeshaushalt erteilte jedoch Staatssekretär Bergner eine Absage. Die Forderungen nach finanzieller Unterstützung seien "haushaltsrelevant und müssten daher an anderer Stelle erhoben werden", sagte Bergner. Zudem werde die "Zuständigkeits- und Kompetenzfrage" außer Acht gelassen. Die SPD-Forderung nach einem Bericht, in dem dargelegt werde, "wo extremistische beziehungsweise verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sport und in dessen Umfeld existieren", laufe im Übrigen auf nichts anderes als die Einführung eines Meldesystems durch die Vereine hinaus, kritisierte Bergner.