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Kurs auf "smartes Sparen"

FINANZEN Das Konsolidierungstempo ist für die Schuldenstaaten zu hoch. Wachstumsimpulse sind gefragt

14.05.2012
2023-08-30T12:17:32.7200Z
3 Min

Kaputtsparen war gestern. Zwar werden die Euroländer von einer Schuldenlast ohnegleichen gedrückt, aber ohne Wirtschaftswachstum werden die besonders hoch verschuldenten Staaten wohl kaum wieder auf die Beine kommen. Daher ist eine Kursänderung in Sicht: Weg vom Diktat der Ausgabenkürzungen, hin zum intelligenten Sparen. In einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages machte in der letzten Woche schon eine neuer Begriff die Runde: Die "smarte Konsolidierung" ist angesagt.

Ohne Eile

Konkret heißt das: Hoch verschuldete Euroländer sollten mehr Zeit zum Abbau ihrer Defizite erhalten. Dies schlugen in der Anhörung mehrere Sachverständige vor. Die bisherige Krisenbekämpfungspolitik sei nicht in der Lage, die eigentlichen Probleme im Euro-Raum zu lösen, stellte Professor Sebastian Dullien (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) fest. Der Fiskalpakt schreibe ein dauerhaftes Budgetdefizit von nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Das dürfte in vielen Fällen "nicht ausreichend Raum für öffentliche Investitionen lassen". Neben Anleihekäufen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und Eurobonds müsse es Nachverhandlungen über die EU-Stabilitätsprogramme geben "und den Staaten mehr Zeit zum Defizitabbau gegeben werden", empfahl Dullien.

Professor Gustav Horn (Hans-Böckler-Stiftung) sprach sich für eine Reduzierung des Spartempos aus und meinte, eine "Vollbremsung auf glatter Fahrbahn" sei nicht das richtige Mittel, das Auto zum Stillstand zu bringen. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wollte nicht ausschließen, dass es vielleicht besser sei, im Falle Spaniens das Defizitziel möglicherweise nach hinten zu verschieben. Die Finanzmärkte würden auf kurzfristiges Wachstum setzen. Bei Wachstumseinbrüchen komme es daher nicht zu Zinssenkungen. "Eine gewisse Streckung ist diskussionswürdig", hieß es vom IW. Aber die angestrebten strukturellen Ausgabenkürzungen müssten erfolgen.

Professor Clemens Fuest (Oxford University) verlangte höhere öffentliche Investitionen und wies ebenfalls auf die Möglichkeit hin, den Krisenstaaten mehr Zeit beim Abbau der Budgetdefizite zu geben: "Ohnehin werden die Defizitziele in vielen Fällen verfehlt." Ob dadurch aber mehr als Strohfeuereffekte erreicht werden könnten, sei unsicher. "Sofern die Glaubwürdigkeit der Konsolidierung darunter leidet, kann auch das Gegenteil eintreten", erklärte Fuest.

Die Deutsche Bundesbank forderte dagegen, die zügige Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht in Frage zu stellen. Gerade die Umsetzung der vereinbarten Konsolidierung sei von entscheidender Bedeutung für die Glaubwürdigkeit des neuen fiskalischen Regelwerks. Vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hieß es, es müsse konsolidiert und für Wachstum gesorgt werden. Das qualitative Element des Wachstums sei bisher unterbewertet worden. Strikt gegen alle Vorstöße zur smarten Konsolidierung sprach sich Professor Michael Eilfort (Stiftung Marktwirtschaft) aus: "In ruhigem Rahmen ist noch nie in den letzten Jahrzehnten konsolidiert worden." Es müsse Druck zur Konsolidierung geben.

Gegen den Sparkurs

Gegen fiskalische Transfers, also Zahlungen zum Beispiel aus deutschen Steuergeldern an andere Länder, sprach sich Professorin Claudia Buch (Universität Tübingen) aus. Solche Transfers würden die Gefahr bergen, dass nötige Strukturreformen aufgehalten werden würden. "Nicht zuletzt dürfte die politische Akzeptanz für eine Ausweitung von Transfers fehlen", so die Wissenschaftlerin.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verurteilte den radikalen Sparkurs. Dieser habe, gekoppelt mit dem Druck auf Löhne, Renten und Sozialsysteme "zu einer sozialen Katastrophe in den betroffenen Krisenländern geführt". Zur Finanzierung eines Programms für Wachstum und Beschäftigung forderte der DGB eine "Europäische Zukunftsanleihe", die von den Reichen (ab 500.000 Euro Vermögen) finanziert werden soll. Die EZB müsse zum "Kreditgeber der letzten Instanz" ausgebaut werden.

Die vorgeschlagenen gemeinsamen europäischen Anleihen zur Staatsfinanzierung lehnte der Vertreter der Bundesbank strikt ab. "Eine umfassende Gemeinschaftshaftung ist nicht kompatibel mit fehlenden Eingriffsrechten auf der europäischen Ebene", hieß es in der Stellungnahme der Bundesbank. Die Lösung der Probleme in den von der Vertrauenskrise betroffenen Ländern habe primär "im nationalen Kontext" zu erfolgen.

Eine längerfristige Stabilisierung der Eurozone wird nach Ansicht von Professor Paul Welfens (Universität Wuppertal) nicht ohne Euro-Politik-Union möglich sein. "Zu Pessimismus besteht in der Eurozone und besonders in Deutschland kein Anlass. Die Überwindung der Krise erfordert geduldige und gezielte Maßnahmen, wobei die Rolle der Europäischen Kommission mittelfristig deutlich gestärkt werden sollte", empfahl Welfens.