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Poker um den Pakt

EUROPA Verfechter strenger Haushaltdiszplin und Befürworter von Wachstumsimpulsen nähern sich an - in Brüssel und in Berlin

29.05.2012
2023-08-30T12:17:32.7200Z
3 Min

Es ist keine Woche wegweisender Entscheidungen in der Euro-Krise. Und doch zeichnete sich am vergangenen Mittwoch und Donnerstag ab, dass sich die Verfechter einer strengen Sparpolitik und die Fürsprecher für mehr Wachstumsimpulse aufeinander zubewegen - in Brüssel und auch in Berlin.

"Die Regierung hat ihre Blockade gegen einen zusätzlichen Wachstums- und Investitionspakt aufgegeben", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Spitzen der im Bundestag vertretenen Parteien am Donnerstag. Ein gemeinsames Ja von Koalition und SPD und Grünen zum Fiskalpakt und zum Rettungsschirm ESM noch vor der parlamentarischen Sommerpause ist damit nicht ausgeschlossen. Für die Ratifizierung des Fiskalpaktes ist in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig. SPD und Grüne machen ihre Zustimmung jedoch von zusätzlichen Wachstumsimpulsen in Krisenstaaten abhängig. Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin fordern etwa einen "Schuldentilgungsfonds", also den gemeinschaftlichen Abbau von Schulden oberhalb der Marke von 60 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes in den Staaten.

Die Bundesregierung bringt andere Instrumente ins Spiel. Am vergangenen Freitag berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vorab, dass sie an einem Sechs-Punkte-Plan für mehr Wachstum in Europa arbeite: Demnach könnten unter anderem mit Sonderwirtschaftszonen in den Krisenstaaten ausländische Investoren mit steuerlichen Vergünstigungen angelockt werden.

Bereits am Mittwoch verständigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem informellen Gipfel in Brüssel auf mehr Wachstumsimpulse. So könnte etwa das Kapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufgestockt, die EU-Strukturfonds gezielter in Krisenländern eingesetzt und gemeinsame Projekt-Bonds für konkrete Infrastrukturvorhaben ausgegeben werden. Über Eurobonds, wie vom französischen Präsidenten Françoise Hollande gefordert, bestand keine Einigkeit. "Ich glaube, dass sie kein Beitrag sind, um das Wachstum anzukurbeln", sagte Merkel.

Wenige Stunden zuvor zogen am Mittwochnachmittag im Bundestag die Koalitionsfraktionen in einer von ihr verlangten Aktuellen Stunde zu Eurobonds nochmals eine rote Linie: Solidarität mit Krisenländern ja, aber nur, wenn diese sich mit Strukturreformen erkennbar anstrengen, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Eurobonds, also gemeinsame Staatsanleihen in der Euro-Zone, seien mit der Koalition nicht zu machen.

Eurobonds sind auf den ersten Blick verführerisch, auf den zweiten aber "eine gefährliche Droge", sagte der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle. Sie stünden für eine Fortsetzung der Verschuldungspolitik, und wohin diese führe, lasse sich derzeit in ganz Europa besichtigen.

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte, dass selbst Politiker aus den Koalitionsparteien - wie etwa EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) - Eurobonds nicht mehr ausschließen. Schneider sagte aber auch: "Es gibt keine Eurobonds-Pläne der SPD". Ohne eine Änderung des Grundgesetzes könne es "keine gemeinsame Haftung für Anleihen anderer Länder geben".

Auch Hermann Otto Solms stellte für die FDP-Fraktion klar, dass der Steuerzahler nicht für Risiken in Anspruch genommen werden könne, die in anderen Staaten entstehen. Hier setze das Grundgesetz klare Schranken. "In Brüssel wird beschlossen: Die Südländer greifen in die Kasse, und Berlin trägt die Kosten. Das lassen wir nicht zu", sagte Solms.

Richard Pitterle von der Linksfraktion sagte: "Wir haften ja bereits über die Europäische Zentralbank, die in erheblichem Umfang Staatsanleihen anderer Staaten aufgekauft hat." Die "reine Sparpolitik" sei gescheitert. Wenn die Investitionen ausblieben, stottere die Wirtschaft und es stiegen - trotz des Sparens - die Schulden.

Starke Regeln

Manuel Sarrazin, europapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, machte sich für eine differenzierte Ausgestaltung von Eurobonds stark. "Preisstabilität und Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite sind die Grundlage jedes Eurobonds-Konzepts, für das wir uns einsetzen." Die Grünen wollten "mit Eurobonds starke Regeln durchsetzen" und "einen glaubwürdigen Schuldenabbauplan" vorlegen.

Steffen Kampeter (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, sprach von einer entscheidenden "Weggabelung", vor der Europa mit dem Fiskalpakt jetzt stehe: "Staatsverschuldung ist geronnene politische Mutlosigkeit" und "eine üble Last für die nachfolgende Generation", sagte Kampeter. Es gehe darum, Solidarität und Solidität in Europa zu verbinden. Solidarität bedinge jedoch eine "Verhaltensänderung" - und dazu gehöre, in nationaler Verantwortung die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen zu erhöhen.