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Eine Lehre aus der NS-Zeit

TRENNUNGSGEBOT Polizei und Verfassungsschutz dürfen nicht fusionieren. Ob es weitere Anforderungen gibt, ist umstritten

16.07.2012
2023-08-30T12:17:35.7200Z
3 Min

Die Trennung von Polizei und Inlandsgeheimdienst ist eine deutsche Besonderheit. In den meisten Staaten, auch in westlichen Demokratien, kennt man sie nicht. Dort gibt es Geheimdienste, die auch polizeiliche Befugnisse haben, also zum Beispiel Räume durchsuchen und Personen festnehmen dürfen. Die deutsche Sondersituation ist eine Folge der NS-Herrschaft mit ihrer allmächtigen Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Als nach dem Krieg das Grundgesetz geschaffen wurde, wollten die westlichen Siegermächte eine solche Machtzusammenballung verhindern.

Alliierter "Polizeibrief"

Am 14. April 1949 intervenierten die Alliierten in die Schlussberatungen des Grundgesetzes mit ihrem "Polizeibrief". Darin forderten sie, das neu geplante Bundesamt für Verfassungsschutz "soll keine Polizeibefugnisse haben". Es sollte also nur Informationen sammeln. Die Deutschen fügten sich und setzten die alliierte Vorgabe um.

Der Polizeibrief gilt heute indes nicht mehr. Spätestens mit der Wiedervereinigung sind die letzten Besatzungsvorbehalte entfallen. Allerdings ist ein Grundgedanke des Polizeibriefs ins Grundgesetz eingeflossen: Artikel 87 sieht unterschiedliche Zentralstellen des Bundes für die Kriminalpolizei und den Verfassungsschutz vor. Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz dürfen also nicht zu einer neuen Super-Sicherheitsbehörde fusioniert werden.

Ob dem Grundgesetz über das Fusionsverbot hinaus ein "Trennungsgebot" für Polizei und Geheimdienste entnommen werden kann, ist umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat dies schon mehrfach diskutiert, zuletzt 2010 in einer Entscheidung zum Ankauf von Steuersünder-CDs durch den Bundesnachrichtendienst. Bisher hat es die Frage aber immer offen gelassen, weil sie nicht entscheidungserheblich war.

Ein solches verfassungsrechtliches Trennungsgebot würde dann besagen, dass Geheimdienste "keine Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen durchführen und anderen Zwang ausüben dürfen", hieß es in den Karlsruher Erwägungen. Dies entspräche dem alliierten Polizeibrief und auch der bestehenden gesetzlichen Lage.

Dagegen hat die Polizei in den vergangenen Jahrzehnten viele Ermittlungsbefugnisse erhalten, die früher als geheimdienst-typisch galten. So kann die Polizei Telefone und Räume abhören oder Polizeibeamte als Verdeckte Ermittler in bestimmte Szenen einschleusen. Dies ist zwar politisch nicht unumstritten, in der Regel wird darin aber kein Widerspruch gegen ein verfassungsrechtliches Trennungsgebot gesehen.

In den letzten Jahren wird verstärkt über den Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz diskutiert. Grundsätzlich ist dieser bisher erlaubt. In Bundes- und Landesgesetzen finden sich zahlreiche Regelungen, wonach die Polizei dem Verfassungsschutz unter bestimmten Bedingungen Informationen geben darf und umgekehrt.

Eine neue Qualität bekam der Informationsaustausch aber durch die Anti-Terror-Datei, die 2007 ihre Arbeit aufnahm und Personen aus dem Bereich des internationalen islamistischen Terrors erfasst. Sie soll den Informationsaustausch zwischen Polizei- und Verfassungsschutz erleichtern. Auf bestimmte Grunddaten wie Name und Lichtbild haben alle angeschlossenen Behörden dabei direkten Zugriff.

Dagegen hat der pensionierte Oldenburger Richter Robert Suermann eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Er kritisiert, dass die Polizei so an Informationen des Verfassungsschutzes kommt, die sie selbst nicht hätte erheben dürfen. Denn die Polizei dürfe nur bei einem konkreten Verdacht tätig werden, der Geheimdienst schon im Vorfeld davon.

Das Bundesverfassungsgericht will noch im Jahr 2012 über die Klage Suermanns entscheiden. Es wird erwartet, dass Karlsruhe dann die Konturen des Trennungsgebots näher beschreiben wird. Dies wäre auch für die frisch beschlossene RechtsextremismusDatei (siehe Artikel oben) interessant gewesen. Doch der Bundestag wollte das Karlsruher Urteil nicht abwarten. Und Karlsruhe sah offensichtlich auch keinen Grund, sich etwas zu beeilen.