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USA-Europa Der Ausgang der US-Wahl beherrschte die Debatte zur transatlantischen Partnerschaft

12.11.2012
2023-08-30T12:17:41.7200Z
4 Min

Einmal angenommen, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages könnten den amerikanischen Präsidenten mitwählen: Mitt Romney hätte es bei einer solchen Abstimmung wohl nicht einfach gehabt. Eine gewisse Erleichterung war vergangenen Donnerstag in der Debatte zu den transatlantischen Beziehungen über den Wahlausgang in den USA zu spüren. Der FDP-Außenexperte Rainer Stinner brachte das auf den Punkt: Ein anderes Ergebnis "hätte es uns wesentlich schwerer gemacht", auf den Feldern Abrüstung und Klimaschutz voranzukommen. Und auch wenn die Fraktionen von Union, FDP und Die Linke den zugrunde liegenden Antrag der SPD-Fraktion (17/9728, 17/10169) zur Neubelebung und "dringend notwendigen" Stärkung der transatlantischen Beziehungen ablehnten, hinderte es ihre Vertreter nicht daran, dem überzeugten "Atlantiker" Hans-Ulrich Klose (SPD), der zur nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten wird, für sein langjähriges Engagement zu danken.

Zerrbilder

Rainer Stinner bezeichnete die These eines "Western Decline", also eines Abstiegs des Westens, als "völlig falsch und einseitig". Weder befinde sich Europa im Abstieg, noch die USA, die nach wie vor nicht nur die besten Studenten der Welt anlocke, sondern zum Beispiel die neue Kommunikationsindustrie entscheidend präge. Die Wiederwahl Barack Obamas sei ein "positives Zeichen", auch weil er ein anderes "Prinzip der Kooperation und Konzentration" eingeführt habe als sein Vorgänger George W. Bush. Europa bleibe auch in Zukunft aus US-Sicht der "natürliche Partner", betonte der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, korrigierte das Bild des Abstiegs der USA: Ob "Amazon" oder "Facebook" - die großen Innovationen kämen heute aus Amerika. Mißfelder erinnerte auch daran, welche Probleme entstehen, wenn die USA ihre Rolle als "Weltpolizist" nicht oder weniger entschlossen wahrnehmen. Das Beispiel Syriens zeige deutlich, dass die Vereinten Nationen mit der Blockade im Sicherheitsrat in dieser Rolle eher "ein Totalausfall" seien, den die Zivilbevölkerung in Syrien mit ihrem Leben zu bezahlen hätte. Gerade die Amerikaner würden aber erwarten, dass die Europäer im Sinne eines "Sharing und Pooling, also Fähigkeiten zusammenführen und Lasten teilen" künftig mehr Verantwortung in Sicherheitsfragen übernehmen. Er glaube allerdings nicht, dass hierzulande alle dafür schon bereit sind, sagte Mißfelder in der Debatte.

Hans-Ulrich Klose (SPD) sprach von "ideologischen Kopfschmerzen", die der Aufstieg Chinas als Ein-Parteien-Herrschaft manchem im Westen bereite. Allerdings sehe er gar keinen Anlass für Zweifel daran, dass Amerika die "deutlich besseren Chancen" habe, seine Führungsposition zu behaupten. Das Land verfüge über große Energievorräte, habe keine relevanten Feinde in der Nachbarschaft, verfüge über ein hohes Innovationspotenzial und biete mit seiner freiheitlichen Verfassung die Möglichkeit zum persönlichen Aufstieg, was nicht zuletzt die Attraktivität der USA für junge Menschen aus aller Welt ausmache.

Europa ist gefordert

Klose betonte, die Hinwendung der USA zum pazifischen Raum sei keine Abwendung von der transatlantischen Partnerschaft. Sie liege auch in Europas Interesse, weil es für Europa eine "pazifische Machtprojektion" nicht geben könne. Vor allem das exportorientierte Deutschland sei an "berechenbar stabilen Verhältnissen" in Ostasien interessiert. Allerdings fordere Amerika, dass die europäischen Partner künftig mehr Verantwortung übernehmen. Europa brauche mehr Gemeinsamkeit und Entschlossenheit, "um als europäischer Akteur in der transatlantischen Zusammenarbeit ein relevanter Partner zu bleiben oder zu werden", sagte Klose.

Stefan Liebich (Die Linke) nannte Barack Obama die "bessere Alternative"- trotz vieler Versprechen, die er nicht eingelöst habe und trotz der Verletzungen internationalen Rechts etwa durch den Einsatz bewaffneter Drohnen. Die Antworten auf Klimawandel, Terrorismus und Globalisierung seien dies- und jenseits des Atlantiks häufig immer noch die alten, kritisierte Liebich: "Militär gegen Bedrohung und zur Ressourcensicherung, Abbau sozialer Sicherung." Liebich plädierte für eine Neubegründung der transatlantischen Partnerschaft, in deren Rahmen "mutige Abrüstungsschritte" getan und Finanzmärkte reguliert würden, die Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina Gestalt annehmen und der Export von Waffen Krisengebiete geächtet würde.

Die außenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Müller, nannte Obama einen "Ausnahmepräsidenten", nicht weil er als erster Afroamerikaner in diesem Amt ein modernes und liberales Amerika verkörpere, sondern unter seiner Präsidentschaft die Politik wieder die Oberhand über das Militärische gewonnen habe. Seine vielleicht größte Leistung sei die "Einsicht in die Grenzen der amerikanischen Macht" , seine Hinwendung zum "Multilateralismus aus Einsicht in die Notwendigkeit, dass kein Staat der Welt, auch nicht die USA, die neuen Herausforderungen alleine meistern kann", sagte Müller. Umgekehrt bedeute das für Europa, sich endlich "zusammenzuraufen" und zum Beispiel "in den Krisenregionen in der Nachbarschaft, von Osteuropa bis nach Afrika, noch mehr Verantwortung übernehmen".