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Die Schatten einer Diktatur

SED-UNRECHT Bundestag debattiert über Stand der Aufarbeitung fast 24 Jahre nach dem Mauerfall

25.03.2013
2023-08-30T12:23:56.7200Z
3 Min

Einen Schlusstrich unter das begangene Unrecht kann und wird es nicht geben." Dieser Aussage von Kultur-Staatsminister Bernd Neumann (CDU) zum Auftakt der Bundestagsdebatte über die Aufarbeitung der SED-Diktatur am vergangenen Freitag konnten die Vertreter aller Fraktionen noch zustimmen. Doch die Aussprache förderte ebenso gravierende Meinungsunterschiede zutage: Im Zentrum stand die Frage nach der Zunkunft der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU). Deren Grundlage läuft Ende 2019 mit der Gültigkeitsdauer des Stasi-Unterlagengesetzes aus. Wie es danach weitergehen soll, ist bislang jedoch noch nicht geklärt.

Neumann zog eine positive Bilanz aus der über 20-jährigen Aufarbeitung der SED-Diktatur. Der entsprechende Bericht der Bundesregierung (17/12115) dokumentiere in "beeindruckender Weise" die Leistungen der Aufarbeitung. Die Bundesregierung habe das Gedenkstättenkonzept zur nationalsozialistischen und kommunistischen Diktatur auf deutschem Boden im Jahr 2008 weiterentwickelt und die Finanzmittel dafür um 50 Prozent erhöht. Der Bund stelle jährlich 100 Millionen Euro für die Aufarbeitung der SED-Dikatur zur Verfügung, sagte Neumann. Er räumte zugleich ein, dass die vorgelegten Studien über das mangelnde Wissen bei deutschen Schülern über die DDR "beunruhigend" seien. Hier bestehe Handlungsbedarf.

Unterstützung signalisierte Neumann für den Vorschlag des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, auf dem Gelände des ehemaligen Stasi-Hauptquartiers in Berlin-Lichtenberg einen authentischen Lernort zur SED-Diktatur einzurichten. Über den von Jahn vorgeschlagenen Namen "Campus der Demokratie" könne allerdings noch diskutiert werden.

Kritik von SPD und Grünen

Diesen Diskussionbedarf mahnte auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) an. Dieser hatte Jahns Vorschlag bereits in den vergangenen Wochen wiederholt kritisiert. Die Stasi-Unterlagenbehörde sei bei ihrer Gründung im Jahr 1990 nicht für die Ewigkeit konzipiert worden. Über ihre Zukunft habe der Bundestag zu entscheiden, sagte Thierse. Die Regierung verweigere jedoch eine Diskussion im Parlament über deren Zukunft. Auch dem Bericht sei dazu nichts zu entnehmen. Entgegen der Versprechung der Koalition, sei in der laufenden Legislaturperiode auch kein Gremium eingesetzt worden, um Vorschläge für die Zukunft der BSTU zu entwickeln. Dieser Kritik schloss sich auch Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) an. Die Regierung habe vier Jahre verschenkt. Thierse betonte, dass die Stasi-Akten im Sinn der Aufarbeitung in jedem Fall auch nach 2019 zugänglich sein müssten. Doch dafür müssten auch der richtige Rahmen gefunden werden. Zugleich forderte Thierse jedoch ein Ende der Stasi-Überprüfungen nach 2019: "30 Jahre nach dem Fall der Mauer ist es weder politisch noch menschlich angemessen, dass dann weit zurückliegende Stasi-Verwicklungen noch ein Hinderungsgrund für Anstellungen darstellen sollen."

Patrick Kurth, Sprecher für den Aufbau Ost der FDP-Fraktion, hielt Thierse entgegen, dass die schwarz-gelbe Koalition "neuen Schwung" in die Aufarbeitung gebracht hätte. Demonstrativ stellte er sich schützend vor Roland Jahn und warf Thierse vor, er wolle die Stasi-Unterlagenbehörde möglichst schnell schließen. Kurth forderte, dass die Stasi-Überprüfungen so lange fortgesetzt werden, wie Opfer und Täter im Berufsleben aufeinander treffen könnten. Er warnte allerdings davor, den Fokus der Aufarbeitung allein auf die Stasi zu legen. Die Diktatur in der DDR sei eine SED-Diktatur gewesen. Vor allem die Linkspartei versuche, dies immer wieder in den Hintergund zu schieben.

Über die Aufarbeitung der Vergangenheit in der Linkspartei lieferte sich Wolfgang Wieland (Grüne) mit Dietmar Bartsch (Die Linke) einen verbalen Schlagabtausch. Im Gegensatz zu den Blockparteien in der DDR habe sich die Linkspartei beziehungsweise die PDS "selbstkritisch" mit der eigenen Vergangenheit auseinandergesetzt, argumentierte Bartsch. Er wehrte sich zugleich gegen eine Gleichsetzung der DDR mit der NS-Diktatur, wie dies im Regierungsbericht anklinge. "Dies ist nicht akzeptabel", sagte Bartsch. Die Gründung der DDR sei eine Folge des Hitler-Faschismus gewesen. Die DDR habe den 8. Mai 1945 deutlich früher als die Bundesrepublik als "Tag der Befreiuung" gewürdigt, argumentierte er. Nicht ohne Grund hätten sich viele Intellektuelle nach dem Zweiten Weltkrieg für die DDR entschieden.

Wieland hielt Bartsch entgegen, es sei nicht akzeptabel, "Geschichtsrevisionismus" zu betreiben. Die DDR sei "von der ersten Minute an eine Diktatur" gewesen. Zur Aufarbeitung gehörten auch "Reue und das Eingeständnis von Schuld", argumentierte Wieland. Dies sei die Linkspartei den Opfern der SED-Diktatur bis heute schuldig geblieben. Die Gelder, die die PDS aus dem Parteivermögen der SED "in dunkle Kanäle" umgeleitet habe, hätten den Opfern zugestanden. Wieland sprach sich in diesem Zusammenhang zugleich für eine Ehrenpension für die Opfer der SED-Diktatur aus. Die Opferrente reiche nicht aus. eine unbürokratischere Entschädigung ehemaliger Stasi-Häftlinge forderte auch Thierse.