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Geschichten vom öffentlichen und heimlichen Schämen

KABINETT Drei Ministerrücktritte musste Kanzlerin Merkel in vier Jahren politisch verkraften. Und Deutschland bekam Nachhilfe im wissenschaftlichen Arbeiten

15.07.2013
2023-08-30T12:24:02.7200Z
2 Min

Ministerrücktritte gehören zum A bis Z jeder Legislaturperiode. Auch in den vergangenen vier Jahren musste Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gleich dreimal ihr Kabintett nach Rücktritten umbilden.

Den Auftakt im Personalkarussell machte am 30. November 2009 Arbeits- und Sozialminister Franz Josef Jung (CDU) nach gerade mal 33 Tagen im Amt. Der Hesse zog mit seinem Rücktritt die Konsequenzen aus der sogenannten Kundus-Affäre, die er noch als Verteidigungsminister am Ende der Großen Koalition zu verantworten hatte (siehe Seite 6). Als seine Nachfolgerin berief Merkel Familienministerin Urlsula von der Leyen (CDU). Und um die parteiinterne Machtarithmetik zwischen den CDU-Landesverbänden aufrecht zu erhalten, übernahm die hessische Bundestagsabgeordnete Kristina Schröder das Ressort für Familien, Senioren Frauen und Jugend.

Mit zu den kuriosesten Minsterrücktritten in der Geschichte der Bundesrepublik gehören allerdings die von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Mitte Februar wurden erstmals Vorwürfe laut, zu Guttenberg habe in seiner Dissertation, mit der er 2007 an der Universität Bayreuth mit der Bestnote "summa cum laude" promoviert hatte, in weiten Teilen Textstellen anderer Autoren übernommen ohne diese entsprechend zu kennzeichnen. Zu Guttenberg selbst wies die Vorwürfe als "abstrus" zurück. Und auch Kanzlerin Merkel schien die Sache mit dem lapidaren Hinweis herunterspielen zu wollen, sie habe schließlich einen Minister eingestellt und "keine wissenschaftliche Hilfskraft". In der Folge hagelte es Kritik aus dem Wissenschaftsbetrieb. Eine Woche später kumulierten die Vorwürfe am 23. Februar schließlich in einer Fragestunde im Bundestag. Inzwischen stand auch der Vorwurf im Raum, zu Guttenberg habe als Abgeordneter die Wissenschaftliche Dienste des Bundestages für die Dissertation genutzt. Der Minister räumte zwar ein, eine "offenichtlich sehr fehlerhafte Doktorarbeit" abgeliefert zu haben, bestritt aber vehement, vorsätzlich abgeschrieben oder die Wissenschaftlichen Dienste genutzt zu haben. Nur wenige Stunden nach der peinlichen Befragung im Bundestag erkannte die Universität Bayreuth zu Guttenberg den Doktortitel ab. Und wieder eine Woche später trat der bislang in der Öffentlichkeit so beliebte zu Guttenberg unter dem Eindruck zunehmender Kritik von all seinen politischen Ämtern zurück.

Erneut musste Kanzlerin Merkel ihr Kabinett umbilden - und dies zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Zu Guttenberg hatte gerade erst die Bundeswehrreform und die Aussetzung der Wehrpflicht auf den Weg gebracht. Merkel betraute Innenminister Thomas de Mazière (CDU) mit dem schwierigen Verteidigungsressort. Als neuen Innenminister holte sie den Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, an den Kabinettstisch.

Anfang des Jahres 2013 verlor Merkel dann auch noch Bildungsministerin Annette Schavan - eine ihrer engsten Vertrauten. Auch Schavan nahm den Hut, nachdem die Universität Düsseldorf ihr am 5. Februar 2013 den Doktorgrad wegen Plagiaten in ihrer Dissertation aus dem Jahr 1980 aberkannt hatte. Der Fall Schavan war besonders pikant, da die Ministerin im Fall Guttenberg gesagt hatte, sie schäme sich "nicht nur heimlich" und vehement für Ehrlichkeit im Wissenschaftsbetrieb plädiert hatte.