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Aktenzeichen Atom ungelöst

ENDLAGER-KOMMISSION Die Mitglieder stehen vor einer der schwersten Aufgaben der kommenden Jahre

07.07.2014
2023-08-30T12:26:17.7200Z
3 Min

Die entscheidenden Sätze werden häufig nebenbei gesprochen: "Wenn wir es nicht schaffen, ein gewisses Grundvertrauen herzustellen, können wir es auch lassen." Michael Müller (SPD), neben Ursula Heinen-Esser (CDU) einer der beiden Vorsitzenden der Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe, murmelte sie fast. Das Gremium soll gemeinsame Kriterien für die Suche nach einem Standort für Deutschlands Atommüll entwickeln und dem Bundestag Ende des kommenden Jahres seinen Abschlussbericht vorlegen. Doch schon bei der ersten Sitzung nach der Konstituierung wurde deutlich, wie schwierig es ist, einen Konsens zu finden. Bis weit in den Nachmittag diskutierten die 33 Mitglieder (siehe "Stichwort") vergangene Woche über das künftige Arbeitsprogramm und Fragen der Geschäftsordnung. Ein zentrales Thema war dabei die Einbeziehung der Öffentlichkeit. Auf Antrag von Stefan Wenzel, dem grünen Umweltminister aus Niedersachsen, wurde klar gestellt, dass die Sitzungen in der Regel öffentlich sind und zusätzlich ein Live-Stream dauerhaft im Internet bereitgestellt wird. Auch soll die Öffentlichkeit durch Diskussionen und Veranstaltungen der Kommission außerhalb des Bundestages einbezogen werden. Weiterer zentraler Punkt war die Frage, wer über was abstimmen darf. Im Standortauswahlgesetz, auf dessen Grundlage die Kommission arbeitet, ist festgelegt, dass die Vertreter der Politik kein Stimmrecht in Bezug auf den Abschlussbericht haben. Nun präzisierte die Kommission, dass die Politiker bei allen anderen Fragen stimmberechtigt sein sollen. Zugleich wurde das für die Kommissionsarbeit zentrale Konsensprinzip an früher Stelle in der Geschäftsordnung verankert.

In der Kommission sitzen sich Menschen gegenüber, die sich seit Jahrzehnten sehr misstrauen: Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zum Beispiel, die in Fragen der Atompolitik immer wieder heftig aneinander geraten. BUND und Deutsche Umweltstiftung haben sich zudem als einzige Umweltgruppen und erst nach langen Debatten überhaupt bereit erklärt, an der Kommission teilzunehmen. Sie lehnen eine Einbeziehung Gorlebens in die Endlagersuche ab und stehen nun unter kritischer Beobachtung ihrer Klientel. Die Kommission hat eine Aufgabe zu bewältigen, die nicht zufällig auch Jahrzehnte nach Inbetriebnahme des ersten deutschen Atomkraftwerks ungelöst ist: einen Ort zu finden, an dem, und zwar über Jahrtausende, radioaktiver Müll gefahrlos aufbewahrt werden kann. Einen Ort also, den naturgemäß niemand in seiner Nachbarschaft, in seinem Bundesland haben will, der aber trotzdem von allen Beteiligten akzeptiert werden soll. Gorleben, wo die radioaktiven Abfälle derzeit zwischengelagert werden und dessen benachbarter Salzstock bereits seit den 1970er Jahren als mögliches Endlager erkundet wird, soll dabei behandelt werden wie jeder andere Standort auch. An seiner Eignung bestehen aber Zweifel.

Straffer Zeitplan

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) forderte die Kommission auf, "ein Verfahren zu finden, dass den Konsens zum Atomausstieg auch auf die Endlagersuche überträgt". Zugleich forderte er, dass sie sich auf "große und entscheidende Fragen" beschränken solle, die innerhalb der vereinbarten Zeit bearbeitet werden könnten. Ziel sei es, ein "Endlager zu identifizieren und in einigen Jahren oder Jahrzehnten auch bauen zu können". Der Physiker Bruno Thomauske zweifelte allerdings, angesichts des verspäteten Starts alle Fragen bis Ende 2015 in gebotener Gründlichkeit beantworten zu können. Hubertus Zdebel (Die Linke) hob hervor, dass "durch den Vorschlag der Konzerne, eine Stiftung für die Beseitigung des Atommülls zu gründen, eine völlig neue Situation, entstanden" sei. Auf Verwaltungsebene soll das Auswahlverfahren vom neu zu schaffenden Bundesamt für Kerntechnische Entsorgung (BfE) betreut werden. Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, verkündete in der Sitzung, dass die Behörde noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen solle. Er sicherte den Kommissionsmitgliedern zugleich zu, dass es der Arbeit der Kommission nicht vorgreifen und nichts "präjudizieren" wolle. Sylvia Kotting-Uhl von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wertete dies kritisch: Es sei "zugesichert worden, dass keine Abteilung aufgebaut wird, die Fakten schafft". Matthias Miersch (SPD) forderte, die Kommission müsse "jede Behördenstruktur auch hinterfragen können" und werde sich auch vor der Abgabe ihres Abschlussberichts "jegliche Freiheit erbitten, sich einzumischen".

Reichlich Zündstoff bieten die kommenden Jahre also genug. Am 8. September, gleich nach der parlamentarischen Sommerpause, steht die nächste Kommissions-Sitzung an.