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Auswärtiges : Nichts ist, wie es einmal war

Die Krisen in der Ukraine und im Irak beherrschten die Debatte um Steinmeiers Etat. Kritik gab es vor allem an den geplanten Kürzungen bei der humanitären Hilfe

15.09.2014
2023-08-30T12:26:19.7200Z
4 Min

Für das Abklopfen von Zahlen bleibt wenig Zeit: Die Zuspitzungen und Häufungen der Krisen in der Welt standen vergangenen Donnerstag in der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs der Bundesregierung für das Auswärtige Amt im Jahr 2015 (18/2000, Einzelplan 05) im Vordergrund – und das hat sicherlich auch damit zu tun, dass mit dem Konflikt in der Ukraine für Europa etwas in Frage gestellt wird, was bis gestern eigentlich noch selbstverständlich galt. Nichts ist im Verhältnis zu Russland mehr so wie es in den vergangenen Jahren war, da wollte der Außenminister gar nichts klein- oder schönreden: Die Ukraine-Krise ist die gefährlichste Krise seit Jahrzehnten, sagte Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Mit Verve widersprach er jedoch jenen Stimmen, die der Bundesregierung eine Kuschel-Politik gegenüber Russland vorwerfen. „Keiner verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Krim und das Verhalten Russlands in der Ostukraine deutlicher als wir.“ Der Vergleich zum Münchener Abkommen 1938 und zur Beschwichtigungspolitik gegenüber dem aggressiven nationalsozialistischen Deutschen Reich sei gefährlich, sagte Steinmeier. Wohin ein „Abbruch, Abschottung, Gesprächslosigkeit und der Ausfall von Außenpolitik“ führt, habe vielmehr das Jahr 1914 und der Beginn des Ersten Weltkrieges gezeigt. „Wir wollen nicht den Kalten Krieg, wir wollen erst recht nicht den heißen Krieg, wir wollen die europäische Friedensordnung erhalten“, sagte Steinmeier. Dazu gehöre, die „Gesprächsfäden“ nach Moskau nicht abreißen zu lassen. Es sei richtig, den „politischen und ökonomischen Druck“ gegenüber Russland aufrechtzuerhalten, zugleich aber an der Nato-Russland-Grundakte festzuhalten, sagte Steinmeier: Eine Position, mit der sich die Bundesregierung auf dem jüngsten Nato-Gipfel in Wales habe durchsetzen können.

Wolfgang Gehrcke (Die Linke) erinnerte daran, dass Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland möglich sei. Am schlechten Verhältnis zu Russland hätten die EU und die Bundesregierung einen „erheblichen Anteil“. Gehrcke kritisierte, in der gegenwärtigen Situation des Waffenstillstands in der Ostukraine weitere Sanktionen gegenüber Russland in Gang setzen zu wollen und ergänzte: „Eine einseitige Unterstützung Kiews macht noch keine Friedensordnung.“ Gehrcke wandte sich zudem gegen eine Äußerung Steinmeiers, dass Deutschland zu groß sei, um die Weltpolitik von der Außenlinie zu kommentieren. Immer wenn Deutschland in seiner Geschichte einen Anspruch als Großmacht erhoben habe, sei das schlecht für Deutschland und für die Welt gewesen, sagte der Linken-Abgeordnete. „Deutschland darf nicht Großmacht spielen.“

Andreas Schockenhoff (CDU) hielt seinem Vorredner mit Blick auf Krisen in Nordafrika, Nahost und im Osten Europas entgegen, dass die „Herausforderungen für unsere Sicherheit angesichts einer unsicheren Nachbarschaft im Osten, im Südosten und im Süden weiter wachsen und uns vor neue Aufgaben“ stellen würden. „Eine Kultur des Heraushaltens können wir uns nicht leisten.“

Mit Blick auf die Ukraine sprach Schockenhoff von einem „kriegerischen Akt gegen einen souveränen Staat“ in Europa: „Russland hat Krieg nach Europa getragen.“ Sollte Moskau den Friedensplan untergraben oder gar den Waffenstillstand nutzen, um seine militärische Position auszubauen, dann werde die EU die jüngst beschlossenen Sanktionen vollziehen – eine Ankündigung, die die EU dann am vergangenen Freitag später wahrmachte (siehe Seite 12). Präsident Putin werde es zudem nicht gelingen, die Partner in Nato und EU „auseinanderzudividieren“, sagte Schockenhoff. Es sei selbstverständlich, dass sich Deutschland an der in Wales beschlossenen „Schnellen Eingreiftruppe“ der Nato beteiligt: Die Allianz werde kein Ausgreifen „Putins hybrider Kriegsführung“ auf eines ihrer Mitglieder zulassen.

Eskalation Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) nannte sowohl die Politik der EU in der Ukraine-Krise als auch die Erhöhung der Einsatzbereitschaft der Nato „richtig“. Er warnte jedoch davor, mit Forderungen nach massiver Erhöhung der Rüstungsausgaben und einer Ausrichtung der geplanten Nato-Raketenabwehr auf Russland ein „gefährliches Spiel mit der Eskalation“ zu treiben und einen neuen Rüstungswettlauf anzufachen. Die Nato könne bei der Lösung der Ukraine-Krise keine zentrale Rolle spielen: „Das ist das falsche Feld“, sagte Schmidt. Gefragt seien vielmehr die EU und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Scharfe Kritik übte Schmidt zudem am Etatentwurf, der eine Kürzung der Ausgaben für humanitäre Hilfe um 38 Prozent vorsehe. Das sei in dieser Weltlage „absurd“: „Diese Kürzungen müssen Sie zurücknehmen.“

Auch Niels Annen (SPD) stellte die Frage in den Raum, wie „die neuen Erwartungen und Herausforderungen an die deutsche Außenpolitik“ auch finanziell zu unterlegen seien. Angesichts mehrerer Millionen Flüchtlinge allein infolge des Bürgerkriegs in Syrien und des Vormarschs von „Isis“ im Irak – aber auch angesichts weiterer Krisen in Libyen, Mali, der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan – müsse man im Etat auf „veränderte Gefährdungslagen eingehen“ und zudem „mehr für humanitäre Hilfe tun“.

Auch Steinmeier machte sich dafür stark, in den weiteren Haushaltsberatungen in diesem Punkt nachzusteuern: „Wenn wir humanitäre Hilfe nicht nur versprechen, sondern leisten wollen, dann werden wir das mit den gegenwärtigen Ansätzen im Haushalt nicht hinbekommen.“

Der Etatentwurf sieht für das Auswärtige Amt im kommenden Jahr Ausgaben in Höhe von 3,42 Milliarden Euro vor, das sind rund 218,7 Millionen Euro weniger als 2014. Für humanitäre Hilfe und Krisenprävention sollen 2015 insgesamt 280 Millionen Euro zur Verfügung stehen – das wären 118,2 Millionen Euro weniger als im laufenden Haushaltsjahr. Alexander Heinrich