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Parlamentsgeschichte : Die Akte Adenauer

13.10.2014
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Parlamentsgeschichte Konrad Adenauer (Foto) wurde im September 1949 zum ersten Bundeskanzler gewählt. Verallgemeinernd heißt es seither, er sei nur mit seiner eigenen Stimme zum Regierungschef gewählt worden. Selbstverständlich: Wer ein solches Amt antritt, wäre schlecht beraten, sich mangels Stimmenthaltung selbst zu verleugnen. Damit allein wäre Adenauer aber im ersten Wahlgang kaum Bundeskanzler geworden. Der Name des eigentlichen „Kanzlermachers“, eines Hinterbänklers, der sich dem ablehnenden Votum seiner Bayernpartei widersetzte, ist kaum bekannt: Johann Wartner aus Scheibelsgrub bei Mitterfels.

Dessen Fraktion hatte sich ausgerechnet, dass bei einer Stimmenthaltung ihrer Abgeordneten und bei einer vollzähligen Stimmabgabe der Regierungskoalition im ersten Wahlgang, Abweichler eingerechnet, womöglich einige Stimmen für Adenauer fehlen würden. Vor dem zweiten und entscheidenden Wahlgang wollte die Bayernpartei ihm weitere Zugeständnisse abringen. Wartner wusste um diese Zusammenhänge, entschied sich anders und gab aus Gewissensgründen Adenauer sofort seine Stimme. Er habe während der Abstimmung ein ungutes Gefühl gehabt, berichtete er gleich nach der Wahl. Er habe sich vorab Adenauer angesehen und hielt ihn für einen kompetenten Politiker. Dass Wartner Tage vor der Abstimmung einen Brief seines Ortsgeistlichen erhalten hatte, in welchem dieser den Abgeordneten bat, deshalb für Adenauer zu votieren, weil er ein gut katholischer Mann ist, sei am Rande erwähnt. Als Grund der spontanen Offenlegung seiner Entscheidung nannte Wartner das Verhalten der SPD, die Adenauer inzwischen vorgeworfen hatte, sich mit seiner eigenen Stimme gewählt zu haben. Auch habe er das ewige Taktieren seiner Partei satt gehabt. Ein möglicher zweiter Wahlgang eine Woche später hätte nur eine Verzögerung der Regierungsbildung mit sich gebracht. „Ich sah die Flüchtlinge und Vertriebenen vor mir, die nicht wussten, wie sie den Winter überstehen sollten, die Firmen, die weder importieren noch exportieren konnten, die Bauern, die nicht wussten, wie sie ihre Ernte verkaufen sollten. Das alles konnte ich nicht verantworten.“ Deshalb, so Wartner, sei es allerhöchste Zeit, dass eine handlungsfähige Regierung antrete. In der Geschichtsschreibung wird dieser Vorgang selten angesprochen. Johann Wartner, Direktkandidat der Bayernpartei im Wahlkreis Straubing und im Bundestag von 1949 bis 1951 stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Lastenausgleich, starb am 13. Januar 1963 – im Jahr des Amtsverzichts von Konrad Adenauer.