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SCHULSOZIALARBEIT : Alte Fronten

Die Linke fordert ein größeres Engagement des Bundes. Zuständig sind aber die Länder

20.10.2014
2023-08-30T12:26:22.7200Z
4 Min

Die Debatten über die Bildungspolitik im Bundestag verlaufen seit Jahren nach einem vertrauten Schema. Während Sozialdemokraten, Linke und Grüne regelmäßig fordern, dass der Bund den Ländern finanziell stärker unter die Arme greifen soll, verweist die Union in ebenso schöner Regelmäßigkeit auf die Zuständigkeit der Bundesländer für den Bildungsbereich. Doch die alten Fronten sind durchlässiger geworden. So soll die institutionelle Förderung von Hochschulen durch eine Grundgesetzänderung ermöglicht werden und der Bund will das Bafög ab 2015 komplett finanzieren und damit die Bundesländer entlasten. Die entsprechenden Gesetzesvorlagen sind eingebracht und werden derzeit beraten. Das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern hat Risse bekommen.

Am vergangenen Donnerstag jedoch prallten die alten Fronten wieder aufeinander. Anlass: Ein Antrag der Fraktion Die Linke zur Schulsozialarbeit (18/2013).

Bildungs- und Teilhabepaket Seit dem Jahr 2011 unterstützt der Bund die Länder im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes mit 400 Millionen Euro jährlich in der Schulsozialpolitik. Soweit so gut. Die Kommunen, so lobte Bildungspolitikerin Rosemarie Hein (Die Linke), hätten diese Mittel auch „reichlich genutzt“, ungefähr 3.000 Schulsozialarbeiterstellen seien darüber finanziert worden. „Das Dumme ist nur, dass dieser Geldregen bis zum Jahresende begrenzt war. Nun gibt es zwar noch das Bildungs- und Teilhabepaket, aber vom Bund nichts mehr für die Schulsozialarbeit“, kritisierte Hein. Die Regierung habe „den Leuten Appetit gemacht“, jetzt müssten „sie sehen, wo sie bleiben“.

Die Linksfraktion fordert deshalb, dass die Schulsozialarbeit im Jugendhilferecht des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) als Regelleistung verankert wird. Zudem müsse sichergestellt werden, dass bis zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern die Schulsozialarbeit ausreichend finanziert wird. „Das wird, wenn wir Glück haben, 2020 sein“, sagte Hein.

Bei der Union stößt die Linke mit dieser Forderung trotz ihres Bekenntnisses zur Wichtigkeit der Schulsozialarbeit auf Ablehnung. Die 400 Millionen Euro jährlich seien von Anfang an als „Anschubfinanzierung“ gedacht gewesen, argumentierte die CDU-Abgeordnete Christina Schwarzer. „Eine dauerhafte zweckgebundene Finanzierung der Schulsozialarbeit durch den Bund verbietet das Grundgesetz. Die Zuständigkeit für das Schulwesen liegt allein bei den Ländern“, sagte die Familienpolitikerin. Es sei zwar „schlau gedacht“ von der Linksfraktion, wenn sie die Finanzierung über das SGB VIII verankern und somit durch den Bund ermöglichen will. „Aber Tatsache ist, Schulsozialarbeiter arbeiten im schulischen Raum, und ohne Wenn und Aber bewegen wir uns hier in einem Bereich, für den die Kompetenz bei den Ländern und Kommunen liegt“, beschied die Christdemokratin.

Entlastung durch den Bund Schwarzer rechnete der Opposition vor, wie der Bund die Länder und Kommunen in den kommenden Jahren finanziell entlastet. Er übernehme ab dem Jahr 2014 die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung komplett. Dies sei noch von der letzten Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP beschlossen worden und den Kommunen allein bis zum Jahr 2016 eine Entlastung von mehr als 18 Milliarden Euro, sagte sie. Zum Jahresbeginn 2015 übernehme der Bund zudem die Finanzierung des Bafög, die Länder würden dadurch um weitere 1,2 Milliarden Euro entlastet. „Mein Rat an Länder und Kommunen lautet: Setzen Sie etwas von dem Geld für die Schulsozialarbeit ein“, forderte Schwarzer. „Wir sind uns einig, dass es dort besonders gut angelegt ist.“

Schwarzers Gegenrechnung wollte Rosemarie Hein allerdings so nicht akzeptieren, dies sei eine „Milchmädchenrechnung“. In Deutschland gebe es 34.000 allgemeinbildende Schulen und 9.000 berufsbildende Schulen. „Wenn man an jeder Schule nur eine pädagogische Fachkraft haben wollte, dann wäre ein Finanzvolumen von 1,7 Milliarden Euro erforderlich“, argumentierte Hein. Dies sei weit mehr, als die Übernahme des Bafög durch den Bund den Ländern einbringe.

Auch bei den Sozialdemokraten stieß die Linksfraktion auf wenig Gehör. „Natürlich halten auch wir in der SPD-Bundestagsfraktion die Sicherstellung der Schulsozialarbeit für ein wichtiges Mittel und Instrument, Schulen zum Lebensraum zu machen“, sagte Ulrike Bahr. Abgesehen von verfassungsrechtlichen Grundsätzen und Finanzierungsregeln im föderalen System der Bundesrepublik erkenne sie allerdings auch ein „generelles Problem“ im Antrag der Linksfraktion. Der Schulsozialarbeit und auch der Kinder- und Jugendhilfe werde „viel zu viel aufgebürdet“, führte die Familienpolitikerin an. „Beide werden als Platzhalter für eine Art Generalreperatur verwendet - als wenn man mit ein bisschen Schulsozialarbeit hier und ein bisschen Jugendsozialarbeit dort gesellschaftliche Probleme leicht und abschließend lösen könnte.“ Eine „kurzfristige Symptombehandlung“ durch einen neuen Paragrafen im SGB VIII löse nicht automatisch grundlegende Probleme.

Unterschiedlicher Bedarf Unterstützung bekam Die Linke zumindest inhaltlich von Bündnis 90/Die Grünen. Deren Bildungsexpertin Beate Walter-Rosenheimer lobte zwar das Engagement des Bundes bei der Finanzierung der Schulsozialarbeit, aber das Bildungs- und Teilhabepaket sei auch „ein bürokratisches Monster“ gewesen. „Es gab Kompromisse, Unklarheiten, Unzulänglichkeiten und negative Erfahrungen bei der Umsetzung“, monierte sie. Dies alles zeige, „dass das Kooperationsverbot abgeschafft werden muss“, forderte Walter-Rosenheimer. Gleichzeitig hielt sie der Linksfraktion entgegen, dass sie den Finanzierungsbedarf nicht konkretisiert habe. Eine Förderung der Schulsozialarbeit nach dem „Gießkannenprinzip“ mache zudem keinen Sinn. „Wir denken, dass bei weitem nicht alle Regionen und auch nicht alle Kommunen den gleichen Bedarf haben. Auch nicht jede Schule hat den gleichen Bedarf.“