Piwik Webtracking Image

Finanzen : Froh über jede Selbstanzeige

Sachverständige sehen Begrenzung der Möglichkeit zur Straffreiheit kritisch

17.11.2014
2023-08-30T12:26:24.7200Z
3 Min

Steuer-CDs aus der Schweiz randvoll mit Daten, prominenter Steuerhinterzieher wie Dieter Hoeneß: Das Thema Steuerhinterziehung hat schon für manche Debatte gesorgt. Und immer wieder gab und gibt es Aufregung wegen der Möglichkeit, sich selbst wegen Steuerhinterziehung anzuzeigen und dann zwar viel zahlen zu müssen, aber wenigstens straffrei davonzukommen. Was im Fall Hoeneß nicht funktionierte, klappte in vielen anderen Fällen. Die Große Koalition will die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige jetzt einschränken und hat einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, der aber in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses in der letzten Woche nicht jedem Sachverständigen gefiel.

Gegen Abschaffung So warnte die Bundessteuerberaterkammer davor, die Möglichkeit der Selbstanzeige im Steuerrecht faktisch abzuschaffen. Angesichts der geplanten Änderungen stelle sich aber die Frage, „ob diese nicht zu einer faktischen Abschaffung der Selbstanzeige führen können“. Insbesondere die Verlängerung des notwendigen Erklärungszeitraums auf zehn Kalenderjahre für alle Fälle der Steuerhinterziehung könne in vielen Fällen zur Unmöglichkeit einer Selbstanzeige führen, weil die erforderlichen Unterlagen nicht mehr beizubringen seien. Auch Regierungsdirektor Klaus Herrmann, Leiter des Referates für Fahndung und Strafsachen im Landesamt für Steuern in Koblenz, plädierte in seiner Stellungnahme grundsätzlich für den Erhalt der Selbstanzeige: „Das ist aus fiskalischer Sicht schon mal gut, denn das Instrument der Selbstanzeige bringt dem Staat viele Millionen Steuermehreinnahmen, die anders – trotz verbesserter Möglichkeiten der Finanzverwaltung – nicht kommen würden. Daher sind die meisten Finanzämter froh um jede Selbstanzeige.“

Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf (18/3018) sieht neben der Ausdehnung des sogenannten Berichtigungszeitraums (Nacherklärung hinterzogener Steuern) auf zehn Jahre unter anderem niedrigere Grenzwerte vor. So soll die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Selbstanzeige straffrei bleibt, von 50.000 auf 25.000 Euro gesenkt werden. Der zu zahlende Geldbetrag soll abhängig vom Hinterziehungsvolumen gestaffelt werden. Die Zehn-Jahres-Frist griff auch der Zentralverband des deutschen Handwerks ZDH auf. Die Abgabe von korrigierten Steuererklärungen werde erschwert, „da die erforderlichen Unterlagen zum Teil nicht mehr vorhanden sind oder Wissensträger dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen“.

Wie die Stiftung Familienunternehmen begrüßten auch die großen deutschen Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Erklärung die vorgesehene Korrektur einiger Regelungen aus dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, die zur Kriminalisierung von steuerehrlichen Unternehmen und deren Mitarbeitern führen könnten, etwa im Fall irrtümlicher Angaben. Die Aussagen der Wirtschaft stießen jedoch auf Widerspruch bei anderen Sachverständigen. Für eine Vielzahl von Strafverfahren im Unternehmensbereich gebe es keine Belege, sagte etwa Heinz-Joachim Mallach vom Finanzamt Hagen (Nordrhein-Westfalen). Aus Sicht des Praktikers sei „keine Kriminalisierung feststellbar“. Hans-Peter Buckenberger (Finanzamt Verden) ergänzte, seit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz gebe es keinen Fall, der in einem Strafverfahren geendet habe.

Nach Angaben von Professor Markus Jäger (Richter am Bundesgerichtshof) besteht die Korrekturmöglichkeit falscher Daten schon heute und hat mit dem Institut der Selbstanzeige nichts zu tun. Die Selbstanzeige als Mittel der Korrektur von Arbeitsfehlern zu betrachten, sei ein „grundsätzliches Missverständnis“, weil der Hinterziehungsvorsatz fehle. .

Professor Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs, wies auf mögliche verfassungsrechtliche Probleme hin. Risiken könne es angesichts der enorm hohen Zuschläge geben. Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) hält das Institut der Selbstanzeige als „Brücke zur Ehrlichkeit“ nur noch im Bereich einfacher Steuerhinterziehung für vertretbar. Bei schwerer Steuerhinterziehung sollte eine Selbstanzeige nicht mehr möglich sein.