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PEGIDA : Gefühlte Bedrohung

Die Demonstranten warnen vor einer »Islamisierung«, haben mit der Religion im Alltag aber kaum Berührungspunkte

13.04.2015
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4 Min

Im Mai scheint Pegida zu den Wurzeln zurückzukehren: Während es um den Islam bei den „Spaziergängen“ der Gruppierung in den vergangenen Monaten kaum noch zu gehen schien und stattdessen gegen Asylbewerber im Allgemeinen, die „linskversiffte“ Politik und die „Lügenpresse“ im Speziellen gewettert wurde, steht die Bedrohung durch die Religion bei den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ nun wieder höher im Kurs. Zur Kundgebung am heutigen Montag hat man Geert Wilders geladen. Der Niederländer ist Vorsitzender der rechspopulistischen „Partei Für die Freiheit“ und erklärter Islamkritiker.

Pegida wirbt auf einer Facebook-Seite für Wilders Besuch und zitiert aus einer seiner Reden: „Unsere deutliche Botschaft an den Islam ist: Wir werden den Islam besiegen.“ Eine Kundgebung mit bis zu 30.000 Teilnehmern hat das Organisationsteam angekündigt.

Nachdem die Zahl der Demonstranten in den vergangenen Wochen längst nicht mehr die Werte der Hochphase vom Dezember und Januar erreicht hat, als bis zu 25.000 Menschen gekommen waren, erhofft man sich vom Schulterschluss mit dem markigen Wilders wieder neuen Zulauf. Und möglicherweise eine Perspektive innerhalb einer starken europäischen Rechten: Denn ewig schweigend durch Dresden zu spazieren, das reicht weder den Protestierenden noch den Organisatoren. Man mag sich zwar nicht am politischen Diskurs beteiligen, will aber doch wahrgenommen werden.

Befürchtungen  Und mit dem Schüren von Angst vor dem Islam funktioniert das immer noch am besten: Zwar leben in Sachsen nur rund 20.000 Muslime, das sind rund 0,48 Prozent der Bevölkerung. Zum Vergleich: In ganz Deutschland stellen die rund vier Millionen etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung. Doch dort, wo kaum jemand einen Muslim persönlich kennt, ist die Skepsis vor dem Islam am größten. 57 Prozent der Ostdeutschen glauben nach Ergebnissen des Religionsmonitors der Bertelsmann-Stiftung, dass Islam und westliche Welt nicht zu vereinbaren sind, das sind acht Prozent mehr als im Westen.

Zwar ist deutschlandweit jeder Zweite davon überzeugt, der Islam sei eine Bedrohung, aber nur in Dresden gelingt es, eine große Zahl von Menschen auf die Straße zu bekommen, die dort gegen die vermeintlich drohende Islamisierung protestieren.

Wer sich mit Pegida-Teilnehmern unterhält, der bekommt viel zu hören über die Befürchtung, es könne soweit kommen, dass die eigenen Kinder auf der Straße nicht mehr deutsch sprechen dürften. Man erzählt von Weihnachtsmärkten, die so nicht mehr heißen dürften und Sankt-Matins-Umzügen, die in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umbenannt werden müssten. All das gebe es zwar noch nicht in Dresden. Doch die Frage, die immer gestellt wird, lautet: „Wollen Sie, dass es bei uns auch so weit kommt wie in Berlin oder Bremen?“ Wer jetzt nicht auf die Straße gehe, der müsse sich nicht wundern, wenn irgendwann die IS-Kämpfer auch in Deutschland ihre Massaker verüben würden. Die Bücher von Thilo Sarrazin, Udo Ulfkotte oder Heinz Buschkowsky zu Fragen von Integration und zur Berichterstattung darüber in der Presse gelten als Quellen, um zu belegen, dass der Islam Deutschland längst unterwandere.

Was für die meisten Pegida-Teilnehmer zumindest in Dresden nur eine gefühlte Bedrohung ist, wird für viele Migranten in der Stadt zu einer tatsächlichen. Auf eine Frage bei den „International Friends“, einer Facebookgruppe für Ausländer und Deutsche, die in Dresden leben und arbeiten, ob die konkrete Fremdenfeindlichkeit in der Stadt zugenommen habe, melden sich viele, die berichten, sie seien beschimpft und angepöbelt wurden. Türkischstämmige Ladenbesitzer erzählen von Frauen, denen das Kopftuch weggerissen worden sei und die nun lieber nur noch mit Mütze auf die Straße gingen.

Man sei für „die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur“, heißt es in der offiziellen Pegida-Verlautbarung zu den Zielen des Bündnisses. Dezidierte Islamkritik findet sich in den 19 Thesen nicht, nur die Erklärung, man sei gegen „Parallelgesellschaften/Parallelgerichte in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter “.

Abendland  Doch was ist das eigentlich, diese christlich-jüdisch geprägte Abendlandkultur? In Sachsen ist überhaupt nur jeder Vierte konfessionell gebunden, die große Mehrheit hat weder mit der christlichen Religion noch der katholischen oder evangelischen Kirche überhaupt Berührungspunkte. Als Pegida kurz vor Weihnachten zum gemeinsamen Singen lud, wurden vorsichtshalber Noten und Texte des heimischen Liedguts verteilt; auf die Textsicherheit der Demonstranten mochte man sich nicht verlassen.

Wir gegen das Fremde: So lässt sich die Frontstellung bei Pegdia gegen den Islam wohl zusammenfassen. Der Islam ist für die meisten der Teilnehmer eine Chiffre für all das Bedrohliche in der Welt. Vorurteile, Fehlentwicklungen, die es ja tatsächlich gibt, und eine Nachrichtenlage, die, wenn es um den Islam geht, vor allem über schreckliche Greuel von Terroristen berichtet, bilden eine Gemengelage, die nach innen identitätsstiftend und nach außen ausgrenzend wirkt.

Doch auch wenn Pegida als Dresdner Phänomen in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung ist: Das Bündnis befindet sich in bester Gesellschaft. Auch die neuen rechten Parteien und Bündnisse Europas, deren Abgesandte man gern als Redner in die sächsische Hauptstadt lädt, konzentrieren sich in ihrer Ablehnung nicht mehr auf andere Nationalitäten, sondern auf den Islam. Den bekämpfen zu wollen ist der gemeinsame Markenkern von Rechtspopulisten, die sonst nicht viel eint. Das christliche Europa, auf das Pegida und Co sich berufen, existiert vor allem über die Feststellung, was und für wen es eben nicht ist.

Missverständnisse  Bei der Einschätzung der Bedrohungslage kommt es dann gelegentlich zu interessanten Missverständnissen. Auf Facebook erregte sich vor einigen Wochen ein Pegida-Anhänger über das weithin sichtbare Minarett in Dresden; daran könne man ja sehen, wie weit es mit dem islamischen Einfluss schon sei. Ortskundige beruhigten den Mann: Es handele sich nur um den getarnten Schornstein einer ehemaligen Zigarettenfabrik. Susanne Kailitz

Die Autorin ist freie Journalistin in Dresden.