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AUSWÄRTIGES II : »Gefährliche Provokation«

Oppositionsfraktionen fordern Abzug von US-Atomwaffen aus Deutschland

05.10.2015
2023-08-30T12:28:09.7200Z
3 Min

Die von den USA geplante Modernisierung ihrer in Deutschland stationierten Atomwaffen ist bei den Oppositionsfraktionen vergangene Woche im Bundestag auf herbe Kritik gestoßen. In einer auf Verlangen der Linksfraktion anberaumten Aktuellen Stunde forderten Grüne und Linke die Bundesregierung auf, sich für den Abzug sämtlicher Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen. Die Koalitionsfraktionen verwiesen dagegen auf Deutschlands Verpflichtungen im Rahmen des Nato-Systems der nuklearen Teilhabe und das von Russland ausgehende Bedrohungspotenzial.

Geplante Modernisierung Als nukleare Teilhabe wird die Stationierung von US-Atomwaffen in zahlreichen NATO-Ländern bezeichnet. Im Kriegsfall müssen sie vom US-Präsidenten freigegeben werden. Weil die Systeme inzwischen veraltet sind, beschlossen die USA 2010 ein Modernisierungsprogramm für die Atombomben vom Typ B61, von denen seit dem Kalten Krieg auch einige auf dem Gelände des Fliegerhorsts Büchel in Rheinland-Pfalz lagern. Wie das ZDF-Magazin Frontal 21 unter Berufung auf US-Haushaltspläne kürzlich berichtete, sollen in der Eifel bis zu 20 neue Atombomben stationiert werden. Die Vorbereitungen dafür sollen in diesen Tagen beginnen.

Alexander Ulrich (Die Linke) verurteilte die Pläne scharf. "Atomare Aufrüstung auf deutschem Boden lehnen wir entschieden ab", erklärte er. Das Vorgehen der USA stelle eine gefährliche Provokation gegenüber Russland dar und heize die Dynamik für einen neuen Kalten Krieg weiter an. Der Bundesregierung warf Ulrich "Versagen bei der eigenen Abrüstung" vor. In einem gemeinsamen Beschluss hätten sich 2010 alle Bundestagsfraktionen auf das Ziel einer atomwaffenfreien Welt verständigt. Dass die Bundesregierung den Atomwaffensperrvertrag bewusst unterlaufe, wertete er als "fatales Zeichen" für eine Fortsetzung des Wettrüstens.

Für Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) wird es "höchste Zeit", dass die US-Atomwaffen abgezogen werden. Hinter den Modernisierungsplänen von US-Präsident Barack Obama verberge sich ein milliardenschweres Aufrüstungsprogramm, infolgedessen auch die deutschen Tornado-Flugzeuge für Millionen von Euro umgebaut werden müssten, warnte sie. An die Bundesregierung appellierte Brugger: "Ziehen Sie die Notbremse und stoppen Sie diesen finanziellen und sicherheitspolitischen Irrsinn!" Atombomben würden die Welt "nie und unter keinen Umständen" sicherer machen.

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter hob hingegen hervor, wie sehr sich die Lage im Osten Europas seit 2010 verändert habe. Russland halte Volltruppenübungen ab, probe die Verlegung von Kurzstreckenraketen und verletze mit seinen Bombern den Luftraum der EU. "Wir müssen deutlich sagen, dass die nukleare Bedrohung von Russland ausgeht", konstatierte Kiesewetter. Deutschland könne daher nicht einseitig auf nukleare Teilhabe verzichten. Sein Fraktionskollege Thorsten Frei (CDU) wurde noch deutlicher: "Wer einseitig auf Atomwaffen verzichtet, solange es keine atomwaffenfreie Welt gibt, ist dumm und naiv." Auch angesichts des Wettrüstens zwischen Indien und Pakistan und den chinesischen Milliardeninvestitionen in Atomwaffen sei es Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bewohner zu sorgen.

Überzeugungsarbeit Niels Annen (SPD) betonte, dass sich die Bundesregierung weiter für eine "globale Nulllösung" einsetzen werde. Sie wolle innerhalb der Nato ihre Verbündeten davon überzeugen, dass es der richtige Weg sei, die Atomwaffen abzuziehen. Annen sprach von einem "mühsamen Weg", zeigte sich aber "optimistisch, dass wir in den nächsten Monaten die Möglichkeit haben werden, darauf hinzuwirken". Gerade in der aktuell angespannten Weltsituation sei es eine Chance, dass Deutschland 2016 den OSZE-Vorsitz übernehmen werde (siehe Text oben).

Russland hat auf die Medienberichte über die US-amerikanischen Pläne bereits reagiert. Neue Atomwaffen in Deutschland könnten "die Machtbalance in Europa verändern", warnte vor einigen Tagen ein Regierungssprecher. Und er fügte hinzu: "Ohne Zweifel würde das erfordern, dass Russland notwendige Gegenmaßnahmen ergreift, um die strategische Balance und Parität wiederherzustellen."