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BILDUNG : Ein weiter Weg

Trotz erreichter Fortschritte üben Linke und Grüne Kritik an der Regierung und Ministerin Wanka

19.01.2015
2023-11-08T12:33:07.3600Z
6 Min

Auch wenn die Bildungspolitik der letzten Jahre viele Erfolge vorweisen kann, übte die Opposition in der Debatte über den Nationalen Bildungsbericht 2014 (18/2990) am vergangenen Freitag scharfe Kritik. Der bildungspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Özcan Mutlu, verteilte an die Bundesregierung eine „fette Sechs“. Zentrale Ziele, des Bildungsgipfels von 2008 seien nicht erreicht worden, bemängelte er.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hingegen lobte, die „Investitionen der letzten Jahre in die Bildung haben sich ausgezahlt“. Wanka verwies auf die hohe Studienanfängerquote von über 50 Prozent, den Hochschulpakt 2020 für den Ausbau von Studienplätzen und den starken Anstieg von Betreuungsplätzen für unter Drei-Jährige.

Neben dem Bildungsbericht debattierte der über einen gemeinsamen Antrag der CDU/CSU- und SPD-Fraktion (18/3546) sowie die Anträge der Grünen (18/3412) und der Linksfraktion (18/3728). Der Bildungsbericht wird alle zwei Jahre von einem Team unabhängiger Wissenschaftler im Auftrag von Bund und Ländern erstellt.

Schulabbrecher  Wanka betonte, dass die Schulabbrecherquote auf 5,9 Prozent gefallen sei. 2008 habe sie noch bei sieben Prozent gelegen. Doch auch wenn die Ministerin den Rückgang der Schulabbrecherquote als Erfolg darzustellen versuchte, interpretierte ihn Mutlu als unzureichend, das gesteckte Ziel von vier Prozent in 2017 sei kaum noch zu erreichen. Die Regierung sei „in den Kernbereichen des Bildungsgipfels gescheitert“.

Wanka widersprach dem Vorwurf, dass das Bildungssystem in Deutschland Bildungsungerechtigkeit fördere. Sie rechnete vor, dass Kinder mit Migrationshintergrund in den Jahren zwischen 2003 bis 2012 in der Bildungskompetenz um 24 Prozent zugelegt hätten. Trotz der positiven Entwicklung konstatierte auch Wanka, dass Migrantenkinder noch immer nicht auf dem Niveau anderer Kinder lägen. „Aber sie holen auf“, sagte die Ministerin.

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Rosemarie Hein, hingegen benannte andere Ungerechtigkeiten im Bildungswesen. Kinder von Eltern, die keinen akademischen Abschluss hätten, gingen sehr viel seltener an ein Gymnasium als Kinder aus Akademikerhaushalten und würden auch deutlich seltener studieren. Insgesamt würden diese Kinder sechs Mal häufiger an Hauptschulen landen. „So kann es im Bildungssystem in Deutschland nicht weiter gehen“, sagte Hein. Die Linkspolitikerin bemängelte zudem die situation in der beruflichen Bildung. Die Zahl der Ausbildungsabschlüsse sei erneut gesunken. Dieser Rückgang sei eben nicht mit „Passungsproblemen“ zu erklären, wie dies Ministerin Wanka getan habe. Unter Passungsproblemen versteht man, dass ein Bewerber keine für ihn geeignete Lehrstelle angeboten bekommt. Laut Hein ist das Angebot an sich zu gering. So hätten im vergangen Jahr hätten 81.000 Bewerber keinen Ausbildungsvertrag bekommen.

Inklusion  Ein wichtiges Thema in vielen Reden war die Inklusion von Behinderten in das Bildungssystem, dem Schwerpunktkapitel des Nationalen Bildungsberichts. Wanka lobte unter anderem die große Datengrundlage, die mit dem Bericht nun erstmals zu dem Thema vorliege.

Die behindertenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Tack, betonte: „Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“ Von den 500.000 Kindern (6,6 Prozent), die einen sonderpädagogische Förderbedarf hätten, würden 72 Prozent in die Förderschule gehen und nur 28 Prozent in allgemeinbildende Schulen unterrichtet. Mit steigendem Alter nehme die Inklusion grundsätzlich ab und dreiviertel der Förderschüler würden keinen Schulabschluss machen. Es reiche nicht, ein Kind aus einer Förderschule in eine allgemeinbildende Schule zu geben und ihm einige wenige Förderstunden zuzubilligen. „Das ist ja nicht mehr als eine Einzelintegration“, sagte Tack. „Wir wollen Inklusion. Wir wollen die Veränderung der Systeme.“ Alle Kinder und Jugendlichen sollten eine gute Förderung erhalten, unabhängig von Behinderungen.

Weniger Schulen  Xaver Jung (CDU), bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, verwies auf die aktuelle OECD-Studie und lobte: „Wir sind auf einem guten Weg.“ Als Beispiel nannte er unter anderem die Betreuung von unter Drei-Jährigen, die steigende Zahl junger Menschen, die einen Berufsabschluss erlangen und das duale Ausbildungssystem. Gleichwohl zeige der Bildungsbericht auch, wo es Nachholbedarf gebe. Jung nannte unter anderem den Einsatz für ein besseres Betreuungsangebot in Kindertagesstätten und ein wohnortnahes differenziertes Schulsystem. Die Zahl allgemeinbildender Schulen ist laut Bildungsbericht seit 1998 um 19 Prozent gesunken. Sinkende Schülerzahlen würden außerhalb der Ballungsräume viele Kommunen vor allem in Ostdeutschland vor Probleme stellen, ein dichtes Netz an Schulen zu erhalten, mahnte Jung.

Die Koalitionsfraktionen setzen sich in ihrem Antrag vor allem dafür ein, die Bildungsforschung in der inklusiven Bildung als Schwerpunktthema weiterzuführen und dass die Kultusministerkonferenz einen Entwicklungsplan zur Schaffung von inklusiven Bildungseinrichtungen aufstellt.

Die Grünen fordern in ihrem Antrag neben der Abschaffung des Kooperationsverbotes im Bildungswesen die Vorlage eines Gesetzentwurfs durch die Regierung, der die Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen voran bringt.

Armutsrisiko  Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag den Zugang zu Bildung für alle und weist darauf hin, dass noch immer drei von zehn Kindern in mindestens einer Risikolage wie Bildungsarmut, materielle Armut oder Arbeitslosigkeit aufwachse. Laut Bildungsbericht lag der Anteil 2012 bei 29,1 Prozent. Auffällig seien die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern. Insbesondere in den Stadtstaaten bestehe diesbezüglich weiterhin Handlungsbedarf.

Der Bildungsbericht und die Anträge wurden zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.

Die politischen Umbrüche in Osteuropa um das Wendejahr 1989 wurden von den kommunistischen Reformern im Kreml begrüßt. Sie werteten sie als Resultat der Perestrojka-Politik Michail Gorbatschows zur Erneuerung des Sozialismus. Das galt sowohl für die Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ in Ungarn als auch für den Fall der Berliner Mauer.

Tatsächlich redete sich die herrschende Nomenklatura ihre strategische Niederlage in Osteuropa jedoch nur schön. Dabei war dem inneren Kreis um Präsident Gorbatschow durchaus bewusst, dass das sozialistische System längst in seinen Grundfesten erschüttert ist. Die osteuropäischen Satellitenstaaten konnten ihre Auslandsschulden nicht mehr bedienen, ihnen drohte der Staatsbankrott. Wie die neuesten Quellenforschungen zeigen, stand auch die Sowjetunion kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Allerdings wurde diese Gefahr von den Akteuren im Kreml verdrängt.

Welche belastbaren Erkenntnisse hatte die sowjetische Führung im Wendejahr 1989 über die politischen Entwicklungen in der DDR und den anderen osteuropäischen Staaten? Einige Antworten konnte man bereits in den Biografien Gorbatschows und Schewardnadses finden. Was fehlte, waren die Originalquellen aus den sowjetischen Archiven, die das Grazer Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung jetzt mit präzisen Kommentaren präsentiert. Als Resultat einer zweijährigen Kooperation mit dem Russischen Staatsarchiv für Zeitgeschichte (früher Archiv des Zentralkomitees der KPdSU) enthält das Buch 99 Dokumente aus dem Politbüro aus dem Jahr 1989. Die als „streng geheim“ qualifizierten Quellen umfassen Sitzungsprotokolle und Politbüro-Beschlüsse, Botschaftsberichte aus den osteuropäischen Hauptstädten, ZK-Analysen und Einschätzungen des KGB. Ein Genuss und ein Muss für jeden historisch interessierten Leser. manu