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BUNDESTAG : Streit um Nutzen des Freihandels und Rechte des Parlaments

Die Opposition will die Abkommen mit Afrika stoppen. Ungeklärt ist die Frage, ob der Bundestag die Verträge ratifizieren muss

02.05.2016
2023-08-30T12:30:00.7200Z
3 Min

Die Kritik hält an, doch schon bald sollen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) der EU mit den Staaten Afrikas unter Dach und Fach sein. Das Abkommen mit Westafrika hat die Bundesregierung bereits unterschrieben. In der vergangenen Woche beschloss das Kabinett, auch das WPA mit dem südlichen Afrika (SADC) zu unterzeichnen. Es soll Ende Mai vom Rat der Europäischen Union beschlossen werden und vorläufig in Kraft treten. Das Abkommen mit Ostafrika soll bald folgen.

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Thomas Silberhorn (CSU), war am vergangenen Donnerstag in der Bundestagsdebatte zum Thema voll des Lobes: Die WPA stärkten "nicht nur den Handel mit der EU, sondern auch den Handel innerhalb Afrikas", betonte er. Die Entwicklungsländer erhielten deutlich bessere Möglichkeiten, ihre Produkte zu exportieren. Die Kritiker versuchte er zu beruhigen: Die Abkommen verursachten eine "Marktöffnung mit Augenmaß". So bleibe ein Fünftel der Produkte dauerhaft geschützt. Bei einer "ernsthaften Schädigung der heimischen Wirtschaft" sei zudem vorgesehen, dass zusätzlich flexible Schutzmaßnahmen wie Zölle erhoben werden können, betonte Silberhorn.

Die SPD-Fraktion sieht jedoch noch kritische Punkte, vor allem in Bezug auf die Nachhaltigkeitskapitel, die noch nicht verbindlich seien, wie Sascha Raabe bemängelte. Er forderte, in den Nachverhandlungen menschenrechtliche, ökologische und soziale Standards zu verankern.

Der Opposition wäre es indes lieber, wenn die Abkommen gleich in den Papierkorb wandern würden. So fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/8243), die WPA zu stoppen. Sie seien "kontraproduktiv", urteilte Uwe Kekeritz. Durch sie würde das Recht der afrikanischen Länder auf Exportsteuererhöhungen stark beschnitten, Importzölle fielen überwiegend weg. "Wir alle wissen, dass diese Länder genau diese Steuereinnahmen brauchen, um überhaupt existieren zu können", warnte er. Als besonders problematisch wertete Kekeritz es, dass die Staaten Märkte für europäische Produkte öffnen müssten.

Für Heike Hänsel (Die Linke) ist der Begriff "Partnerschaftsabkommen" schlicht "zynisch". Der "perverse Teufelskreis von Preisdumping, Plattmachen von Kleinbauern, Perspektivlosigkeit und Flucht" müsse endlich durchbrochen werden, appellierte sie. "Freihandel bringt nur wenigen großen Konzernen viel Profit. Freihandel zerstört und ist eine Fluchtursache."

Kontrovers diskutiert wurde einmal mehr die Frage, ob der Bundestag die Abkommen ratifizieren muss. Das Bundesjustizministerium vertritt offiziell die Auffassung, dass der abstimmungsrelevante Teil der so genannten "gemischten Abkommen" (siehe Stichwort), weniger politischer als technischer Natur sei. Daher sei das Parlament nicht zuständig. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages sowie die Sachverständigen in einer Anhörung des Rechtsausschusses kamen jedoch zu einem anderen Schluss. Bereits im April 2015 hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) davor gewarnt, das von der Bundesregierung unterzeichnete WPA mit Westafrika nicht am Bundestag vorbei zu beschließen. Die Debatte um die Abkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) zeige, dass solche Vereinbarungen weite Teile der deutschen Öffentlichkeit beschäftigten.

»Völlig überholt « Das sehen auch Linke und Grüne so. Allerdings scheiterten sie in der vergangenen Woche mit einem entsprechenden Antrag (18/5096). Heike Hänsel warf der Bundesregierung vor, eine "völlig überholte Auslegung des Grundgesetzes" vorzunehmen. Uwe Kekeritz bezeichnete Handelsverträge als "zentral". Sie gehörten grundsätzlich im Parlament diskutiert. Sascha Raabe erklärte den Oppositionsantrag unterdessen für erledigt. Er berief sich auf ein Gespräch mit Justizminister Heiko Maas (SPD), in dem dieser ihm zugesichert habe, seine Meinung geändert zu haben. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) habe ihm vor der Debatte gesagt, dass der Bundestag das Abkommen mit Westafrika ratifizieren könne. Er gehe daher davon aus, sagte Raabe, "dass das auch die Haltung der Bundesregierung insgesamt werden wird". Eine offizielle Stellungnahme gibt es dazu bislang nicht. Allerdings hatte die Regierung einen Tag zuvor verkündet, dem Bundestag das WPA mit dem südlichen Afrika zur Abstimmung vorlegen zu wollen.