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Kurz rezensiert

27.06.2016
2023-08-30T12:30:03.7200Z
2 Min

"Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten." So rief es Winston Churchill am 19. September 1946 seinen Zuhörern an der Universität Zürich zu. Und der britische Premierminister setzte hinzu: "Damit dies zustande kommt, braucht es einen Akt des Vertrauens, an dem Millionen von Familien verschiedener Sprachen bewusst teilnehmen müssen." Doch 70 Jahre nach Churchills berühmter Europa-Rede ist dieses Vertrauen gründlich erschüttert. Dass es ausgerechnet die Nachfahren Churchills sind, die sich in einem Referendum mehrheitlich dafür entschieden haben, aus der EU auszutreten, ist bittere Ironie.

Der irische Historiker Brendan Simms und seinen Münchner Kollege Benjamin Zeeb greifen in ihrem schmalen Band das Plädoyer Churchills für die Vereinigten Staaten von Europa auf, um einen Weg aus der europäischen Krise aufzuzeigen. Das Vertrauen in die EU und die ihre Fähigkeit zur weiteren Integration haben auch sie verloren. Was sie fordern, kommt einem Neustart gleich: Sie setzen auf die Schaffung eines europäischen Bundesstaat mit einer gemeinsamen Finanz- und Verteidigungspolitik, dem die Länder der Euro-Zone durch gleichzeitig stattfindende Volksabstimmungen beitreten oder auch nicht. An eine Mitgliedschaft Großbritanniens glauben sie allerdings auch in diesem Fall nicht.

Simms und Zeeb orientieren sich am anglo-amerikanischen Modell, am "Act of Union", mit dem sich England und Schottland 1707 zum Vereinigten Königreich zusammenschlossen, und der amerikanischen Verfassung von 1787. Doch können die Rezepte der Vergangenheit die aktuelle europäische Krise lösen? Da kommen Zweifel auf. Ebenso wenn die beiden Historiker mit dem Weltmachtstreben Russlands und Chinas argumentieren, dem Europa geschlossen entgegenstellen müsse. Churchills Europa-Idee war auch von einem anti-kommunistischen Impuls geprägt. Doch ob solche Frontstellungen ein neues Europa entstehen lassen, ist fraglich. Eine anregende Diskussionsgrundlage ist das Buch aber trotzdem.