wirtschaft : Der Wirtschaft ging es noch nie so gut
Minister Gabriel würdigt »gute drei Jahre« für Deutschland. Chancen für Schäubles großen Steuersenkungsplan sieht der SPD-Chef nicht
Für die Koalitionsfraktionen steht fest: Noch nie war die wirtschaftliche Lage in Deutschland so gut, die Beschäftigung so hoch und die Arbeitslosigkeit entsprechend niedrig. Allerdings sorgte die Opposition in der Debatte über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums am Donnerstag für einige andere Aspekte, zum Beispiel mit dem Hinweis auf die ungleiche Verteilung der Vermögen in Deutschland.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr: "Ich finde, gerade in dieser aufgewühlten Zeit ist das ein Erfolg, den man gar nicht hoch genug einschätzen kann." 43,5 Millionen Menschen hätten Arbeit, die Wirtschaft sei solide gewachsen, die Einnahmen der Sozialversicherung würden steigen: "Unsere Aufgabe muss es deshalb sein, dafür zu sorgen, dass es dabei bleibt." Im Durchschnitt habe heute jeder Arbeitnehmer 1.000 Euro pro Jahr mehr im Portmonaie als zu Beginn dieser Legislaturperiode. Allerdings würden immer noch zu viele Arbeitnehmer zu schlechten Löhnen arbeiten, räumte Gabriel ein. Kritisch äußerte er sich auch zu Forderungen aus Reihen des Koalitionspartners CDU/CSU zu großen Steuersenkungen. Er sei da sehr zurückhaltend, "und da ist in den letzten Monaten schon viel zu viel versprochen worden, und am Dienstag noch mehr", sagte er mit Blick auf entsprechende Ankündigungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Gabriel rechnete den Umfang der aus der Union angekündigten Steuersenkungen auf rund 40 Milliarden Euro zusammen - mehr als zehn Prozent des Bundeshaushaltes: "Mal ganz offen: wer soll da eigentlich alles glauben?"
Der Wirtschaftsminister würdigte, der Wert der Arbeit in Deutschland sei gestiegen. Leistung finde Anerkennung: "Das ist ein Signal von überragender Bedeutung für unsere Gesellschaft." Die Arbeit der Großen Koalition habe Deutschland "gute drei Jahre" gebracht. Die umstrittenen Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada streifte Gabriel nur kurz, indem er sich dafür aussprach, "dass Europa auch Freihandelsverträge schließt".
Im Unterschied zum Wirtschaftsminister sah Michael Fuchs (CDU) durchaus Spielraum für größere Steuersenkungen. Die Kosten der von Schäuble geschilderten Senkungen seien nicht allein vom Bund zu tragen, sondern auch von den Ländern. Außerdem sagte Fuchs "ganz klar Ja" zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Hinter der Kritik stecke oft ein "latenter Antiamerikanismus". Wie Fuchs würdigte auch Hubertus Heil (SPD) die gute Lage der Wirtschaft, beurteilte die Freihandelsabkommen aber differenzierter.
Roland Claus (Die Linke) sagte, die Früchte der von Gabriel geschilderten guten Wirtschaftsentwicklung seien ungleichmäßig verteilt. Er wies auf Umfragen hin, nach denen rund 80 Prozent der Bundesbürger die Verteilung von Einkommen und Vermögen äußerst ungerecht finden würden. "Arm trotz Arbeit" sei kein Phantomschmerz, sondern für Millionen von Arbeitnehmern "beschämende Realität". Claus warf der Regierung vor, Großunternehmen der Luftfahrtbranche zu stark zu subventionieren, während zu wenig für den Mittelstand getan werde.
Anton Hofreiter (Grüne) warf Gabriel "Wahlkampfmanöver" vor. Die Investitionsquote in Deutschland sei zu niedrig. Gerade bei Zukunftsinvestitionen zum Beispiel in ein modernes Energiesystem bremse die Regierung.
In der Automobilindustrie entwickelten sich StartUps wie der Elektroautohersteller Tesla zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Autoindustrie, während die Koalition immer noch an die Zukunft des Dieselmotors glaube. Hofreiter erneuerte die Oppositionskritik an den Freihandelsabkommen. Die kommunale Wasserversorgung müsse nicht in einem Freihandelsabkommen geregelt werden.
Der Etatentwurf für 2017 (18/9200, Einzelplan 09) sieht beim Bundeswirtschaftsministerium einen Rückgang der Ausgaben vor. Danach sollen die Ausgaben 2017 um knapp 190 Millionen Euro auf 7,43 Milliarden Euro sinken (2016: 7,62 Milliarden Euro).