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Auswärtiges : Krisendiplomatie im Dauermodus

Die Bekämpfung von Fluchtursachen bleibt zentrale Aufgabe. Opposition fordert mehr Geld für humanitäre Hilfe und kritisiert die Zurückhaltung der Regierung gegenüber…

12.09.2016
2023-08-30T12:30:06.7200Z
3 Min

Humanitäre Hilfen und die Krisenprävention bleiben für Abgeordnete von Koalition und Opposition absehbar vordringlichste Aufgaben der Außenpolitik. Man werde jede geplante Ausgabe im Etat des Auswärtigen Amtes für das nächste Jahr daraufhin prüfen, ob sie auf das zentrale Ziel - die Bekämpfung von Fluchtursachen - ausgerichtet sind, so formulierte es der CDU-Abgeordnete Jürgen Hardt vergangene Woche in der Debatte über den Haushaltsentwurf 2017 (18/9200, Einzelplan 05).

Vertreter der Opposition kritisierten, dass die Bundesregierung trotz der ungelösten Konflikte im Nahen Osten die Mittel für die humanitäre Hilfe im Etat kürzen wolle. "Der Bedarf an humanitärer Hilfe wächst international dramatisch an", warnte Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen). Laut Entwurf sind für das Auswärtige Amt im kommenden Jahr Ausgaben in Höhe von 4,6 Milliarden Euro vorgesehen, das sind rund 205,98 Millionen Euro weniger als 2016.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kündigte in der Debatte an, seine Bemühungen um einen Waffenstillstand in Syrien fortzusetzen. "Es wäre unverantwortlich, das nicht zu versuchen." Die Konflikte im Nahen Osten aber auch in Libyen seien allerdings nicht ohne Ankara zu lösen. "Die Türkei ist ein Schlüsselland für uns", sagte Steinmeier. Man müsse - wo immer notwendig - Kritik üben an der türkischen Führung, dürfe "aber nicht so tun, als könnte man sich wegen der kritischen Punkte Beziehungen mit der Türkei in irgendeiner Weise ersparen oder wegwünschen".

Michael Leutert (Die Linke) nannte es hingegen eine völlig "absurde Situation", dass der Nato-Partner Türkei Bundestagsabgeordneten den Zugang zu Bundeswehrsoldaten im türkischen Incirlik lange verwehrt habe, die dort einen Beitrag im Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" leisten. Dies sei genauso wie der EU-Türkei-Flüchtlingspakt und wie die Distanzierung der Bundesregierung von der Armenien-Resolution des Bundestages Folge einer "Erpressungssituation", in der die Türkei am längeren Hebel sitze: "Wer sich einmal erpressen lässt, lässt sich auch ein weiteres Mal erpressen", sagte Leutert. Die Bundeswehr gehöre in diesem Fall aus der Türkei abgezogen.

Als unverantwortlich bezeichnete Leutert mit Blick auf den Etat, dass die Bundesregierung angesichts der internationalen Krisen beim Auswärtigen Amt 200 Millionen Euro einsparen wolle. "Das passt nicht zusammen, das geht so nicht." Es sei das Gegenteil vom Anspruch, außenpolitisch mehr Verantwortung zu übernehmen.

Frithjof Schmidt (Grüne) kritisierte die Zurückhaltung Steinmeiers gegenüber der Türkei, die mit ihren Militäroperationen gegen kurdische Kräfte die gesamte Strategie der Anti-IS-Allianz "buchstäblich in Stücke schießt". Es sei überdies den eingekesselten Menschen in Aleppo nicht zu vermitteln, dass die westliche Allianz in der Lage sei, täglich Bomben über umkämpften Gebieten abzuwerfen, nicht aber Lebensmittel über der bedrängten Stadt.

Schmidt kritisierte, dass die Bundesregierung angesichts solcher Krisen die Mittel für humanitäre Hilfen von 1,1 Milliarden im laufenden Jahr auf nur noch 730 Millionen Euro im kommenden Jahr zusammenstreichen und gleichzeitig den Verteidigungshaushalt um 2,3 Milliarden Euro erhöhen wolle. "Wenn über Krisen und Kämpfe in Afrika und im Nahen Osten sowie über Flucht und Migration gesprochen wird, dann überbieten sich alle in der Forderung, dass etwas gegen Fluchtursachen getan werden muss. Aber die Schere zwischen Ausgaben für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit einerseits und Militärausgaben andererseits klafft immer weiter auseinander; das Missverhältnis wächst", sagte Schmidt.

Jürgen Hardt argumentierte dagegen, dass die "operativen Ausgaben" des Auswärtigen Amtes gegenüber dem Vorjahr steigen würden und das Minus von 200 Millionen Euro im Gesamtetat vor allem den von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallenden deutschen UN-Beiträgen geschuldet sei. Hardt signalisierte aber zugleich für seine Fraktion "Gesprächsbereitschaft" mit Blick auf die humanitäre Hilfe und "die Ertüchtigung unserer Partnernationen".

Hardt warb dafür, der Türkei trotzt der "erheblichen Irritationen" in Folge des Putschversuches im Juli und trotz der Irritationen wegen ihrer Rolle im syrischen Konflikt die Fortsetzung der EU-Beitrittsgespräche nicht zu verwehren - schon allein, um die proeuropäischen Kräfte zu stärken. "Beitrittsverhandlungen sind ein Weg, die Verhältnisse in der Türkei zum Besseren zu befördern", sagte Hardt.