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Zentralbank : »Unsere Maßnahmen sind effektiv«

Präsident Draghi verteidigt umstrittene Niedrigzinspolitik im Bundestag

04.10.2016
2023-08-30T12:30:08.7200Z
3 Min

Mario Draghi hat seinen Besuch im Bundestag offenbar als Erfolg verbucht. Nach seinem Gespräch mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und kurz darauf mit Abgeordneten aus dem Europa-, Finanz- und Haushaltsausschuss sagte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) vergangene Woche in den ARD-Tagesthemen: "Größtenteils gab es Unterstützung." Er sei sehr dankbar für die Chance, dass er sich mit den Abgeordneten habe austauschen können.

Harte Fragen So viel Zufriedenheit wundert, gab es doch reichlich Stoff für Streit zwischen den Parlamentariern und Europas oberstem Währungshüter. Der Italiener ist hierzulande wegen seiner Niedrigzinspolitik und massiver Anleihekäufe alles andere als unumstritten. Erst im März hatte die EZB den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken bei ihr kurzfristig Geld leihen, auf null Prozent gesenkt. Seit Juni kauft die Bank Unternehmensanleihen in Milliardenhöhe. Vertreter der Unionsfraktionen hatten deswegen angekündigt, Draghi in der nichtöffentlichen Sitzung mit harten Fragen konfrontieren zu wollen.

Die Zinsentscheidungen der EZB verursachten große Probleme für Sparer, Versicherungen und die Altersvorsorge, betonte die finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Antje Tillmann (CDU), vor dem Treffen. Sie erwarte, dass Draghi den Abgeordneten ein realistisches Szenario präsentieren werde, "wie man wieder zu einer Normalzinsphase kommen kann". Der Obmann der Union im Finanzausschuss, Hans Michelbach (CSU), warf dem EZB-Chef vor, die Euro-Zone zur Schulden-Haftungsunion und die EZB durch ihre Anleihenkäufe zu einer "Bad Bank" umzubauen. Sein Fazit: "Draghis Geldpolitik ist gescheitert."

Zu einer Annäherung der Positionen kam es im Bundestag offenbar nicht. Vielmehr verteidigte Draghi nach der Sitzung auch vor Pressevertretern seinen Kurs: "Unsere Maßnahmen sind effektiv." Die Wirtschaft in der Euro-Zone erhole sich langsam, aber kontinuierlich, die Zahl der Arbeitslosen sinke. "Wenn wir die gegenwärtige Situation mit der vor vier Jahren vergleichen, als ich zuletzt in den Bundestag eingeladen war, müssen wir anerkennen, dass die Lage definitiv besser ist." Draghi will die Maßnahmen zur Sicherung der Preisstabilität daher fortführen. Ziel sei und bleibe es, die Inflationsrate nahe, aber unter zwei Prozent zu halten und so das Wachstum in der Eurozone wieder anzukurbeln. Ein Mitschuld an den Problemen deutscher Banken wies Draghi generell zurück. Der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU), stellte klar, dass die Niedrigzinspolitik nur vorläufigen Charakter haben dürfe. Die Abgeordneten hätten zudem angesprochen, dass sie "wie ein verstecktes Rettungspaket" wirke, nur dass der Bundestag diesem nie seine Zustimmung gegeben habe. Lobend erwähnte Krichbaum, dass Draghi die Notwendigkeit von Strukturreformen hervorgehoben habe. So würde die EZB wieder Spielraum bekommen, aus der expansiven Geldpolitik auszusteigen.

Nach Ansicht des Grünen-Haushaltsexperten Sven-Christian Kindler hat der EZB-Chef den Ball damit zu Recht an die nationalen Regierungen zurückgespielt. Und auch SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sprach in einem "Reuters"-Interview von der Notwendigkeit einer "konzertierten Aktion der Politik in allen Euro-Mitgliedstaaten", um "die durch die EZB gekaufte Zeit für strukturelle Reformen zu nutzen".

»Nicht allein verantwortlich« Enttäuscht von Draghis Auftritt zeigten sich indes Union und Linke. Zwar habe Draghi klargestellt, dass er Staatspleiten in Südeuropa verhindern wolle, sagte CSU-Mann Michelbach. Aber zum Anstieg der Liquidität in der Euro-Zone und der Lage der Banken habe er nichts gesagt. Alexander Ulrich (Die Linke) bedauerte es in einem Videostatement, dass der EZB-Chef nicht bereit sei, seine Politik zu verändern. Sie mache Kleinsparer ärmer und Vermögende noch reicher und sorge dafür, dass sich die Finanzmärkte weiter von der Realwirtschaft abkoppelten. Allerdings könne Draghi auch nicht allein für die "falsche EU-Krisenpolitik" verantwortlich gemacht werden, stellte Ulrich klar. Auch die Bundesregierung sorge mit ihrer Austeritätspolitik dafür, "dass die EZB immer wieder falsche Maßnahmen umsetzen muss".