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BUNDESARCHIV : Lücken im historischen Gedächtnis

Kritik an der Sonderrolle der Nachrichtendienste in der Gesetzesnovelle

24.10.2016
2023-08-30T12:30:09.7200Z
2 Min

Die geplante Novellierung des Bundesarchivgesetzes stößt bei Historikern, Archivaren und Journalisten auf deutliche Kritik. Und diese entzündet sich an einem Gesetzespassus, der den deutschen Geheimdiensten ein Sonderrecht einräumt, das sich in dieser Form im derzeit geltenden Gesetz nicht findet. Der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) vorgelegte Gesetzentwurf (18/9633) sieht zwar einerseits vor, dass zukünftig alle Behörden und öffentlichen Stellen des Bundes ihre Akten nach 30 Jahren dem Bundesarchiv zur Archivierung anbieten sollen. Allerdings sollen der Bundesnachrichtendienst oder der Verfassungsschutz ihre Akten nur dann an das Bundesarchiv übergeben müssen, wenn "überwiegende Gründe des Nachrichtenzugangs oder schutzwürdige Interessen der bei ihnen beschäftigten Personen einer Abgabe nicht mehr entgegenstehen".

Geheimhaltung Nach Ansicht der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, konterkariert eine solche Regelung jedoch den eigentlichen Sinn des Gesetzes. In der Praxis, so monierte sie in einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses in der vergangenen Woche, bedeute dies, dass die Dienste im Alleingang darüber entscheiden können, welche Akten sie an das Bundesarchiv weitergeben oder nicht. Es sei zwar nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber ein besonderes Augenmerk auf die Geheimhaltungsvorschriften der Nachrichtendienste lege. Allerdings dürften deshalb dem Bundesarchiv und damit der Geschichtswissenschaft historisch bedeutsame Unterlagen nicht vorenthalten werden, argumentierte Voßhoff und plädierte dafür, den Passus ersatzlos aus dem Gesetzentwurf zu streichen.

Löschen von Akten Unterstützt wurde Voßhoffs Forderung vom Verband deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA), der Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltung des Bundes und der Länder (KLA) und vom Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VDH). Deren Vorsitzende Eva Schlotheuber bezeichnete die Archive als "Gedächtnis der Gesellschaft". Doch es würden gravierende Lücken im historischen Gedächtnis entstehen, wenn Akten unwiderruflich gelöscht werden. Der VdA wurde in seiner schriftlichen Stellungnahme noch deutlicher und verwies auf die Löschung von Akten zur NSU-Terrorserie durch das Justizministerium Brandenburgs: "Angesichts der in den letzten Jahren bekannt gewordenen und öffentlich diskutierten Unzulänglichkeiten bei der Aktenführung der Geheimdienste ist es völlig unverständlich, wieso diese Stellen der öffentlichen Kontrolle in den Archiven entzogen werden sollten."

Überhaupt ist das Wort "Löschen" für die Archivare und Historiker ein rotes Tuch. Sie sprachen sich in der Anhörung dafür aus, dass die Archivierung von Akten, die nach gesetzlichen Vorschriften vernichtet werden müssen, als Ersatz für die Löschung ermöglicht werden sollte, um sie für nachfolgende Generationen zu erhalten. Der Rechtswissenschaftler Eric W. Steinhauer verwies drauf, dass es entsprechende Bestimmungen in verschiedenen Archivgesetzen der Bundesländer bestünden. Der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, betonte, dass das Bundesarchiv schließlich auch jetzt schon als geheim klassifizierte Akten gesetzeskonform verwahre.