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gentechnik : Drohender Flickenteppich

Opposition und SPD halten Reformpläne des Agrarministers für nicht weitgehend genug

24.10.2016
2023-08-30T12:30:09.7200Z
4 Min

Die grüne Gentechnik hat in Deutschland keinen einfachen Stand. Von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt, stößt sie auch in der Politik auf Gegenwehr. Die Linken lehnen sie ab, die Grünen sowieso und auch die SPD stellt sich gegen den Anbau genveränderter Pflanzen. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) will nach eigenem Bekunden die grüne Gentechnik ebenfalls nicht auf deutschen Äckern haben. Die Idee seines Ministeriums für eine Reform des Gentechnikgesetzes sieht gleichwohl vor, die Verantwortung für den Erlass von Anbauverboten den Ländern zu übergeben.

Dagegen erhob sich während der Debatte vergangenen Donnerstag Protest. Der Entwurf sei ein Gesetz mit eingebauter Unwirksamkeitsklausel, kritisierte Harald Ebner (Grüne) die Vorlage, die allerdings gar nicht Beratungsgegenstand war - ja noch nicht einmal vom Kabinett bestätigt ist. Kirsten Tackmann (Die Linke) bemängelte, dass der Regierungsentwurf "zwingende Gründe" für ein Anbauverbot fordert und damit über die entsprechende EU-Richtlinie hinausgehe.

Diese Richtlinie sieht vor, dass Mitgliedstaaten mittels einer sogenannten Opt-Out-Regelung Anbauverbote erlassen dürfen. Der Bundesrat hat die EU-Vorlage zum Anlass genommen einen eigenen Gesetzentwurf zu entwickeln, der in den Bundestag eingebracht wurde (18/6664). Darin wird ein bundesweites Anbauverbot gefordert - verantwortlich dafür soll die Bundesregierung sein.

Die Opposition begrüßt das. Ein Flickenteppich müsse verhindert werden, sagte Ebner. Seiner Ansicht nach habe aber der Minister gar kein Interesse daran, die Position des Bundesrates auch nur im Ansatz ernst zu nehmen. "Sie wollen den Ausstieg aus dem Gentechnikanbau partout vorsätzlich unterlaufen und aufweichen", sagte der Grünen-Abgeordnete

Ein Verbot mache nur bundesweit Sinn, fand auch Tackmann. Was Minister Schmidt plane, sei ein "Opt-Out-Verhinderungsgesetz". Die Hürden für ein bundeseinheitliches Verbot seien so hoch, dass de facto jedes einzelne Bundesland entscheiden müsse. "Wer das so vorschlägt, will keine bundeseinheitliche Regeln", schlussfolgerte sie.

Vorsichtiger formulierte es die SPD-Abgeordnete Elvira Drobinski-Weiß. Zwar wäre es aus ihrer Sicht sinnvoll gewesen, sich stärker am Bundesratsentwurf zu orientieren. Gleichwohl sei im Regierungsentwurf die Formulierung enthalten, "die Bunderegierung soll ein Anbauverbot erlassen, wenn der Hersteller nicht freiwillig darauf verzichtet". Das sei ein klarer Auftrag, befand sie. Erstaunt sei sie allerdings, warum sich der Minister selbst auferlege, "mit fünf anderen Ministerien ein Einvernehmen herstellen zu müssen". Was die weitere Entwicklung zu dem Gesetz angeht, mahnte sie zur Gelassenheit: "Wir werden den Entwurf genau prüfen", kündigte sie für ihre Fraktion an. Der besagte klare Auftrag dürfe nicht durch missverständliche Formulierungen oder fehleranfällige Verfahren verkompliziert werden. "Da, wo wir es für nötig halten, werden wir auf Änderungen drängen", sagte sie.

In der Unionsfraktion verfolgte man die Debatte mit geballter Faust in der Tasche. In Sachen Gentechnik gebe es offenkundig eine rot-rot-grüne Koalition, stellte Artur Auernhammer (CSU) fest. Er bedaure, dass die Ablehnung der grünen Gentechnik eher auf Emotionen als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe. "Wir haben heute gemerkt, welche Lobbyistenpartei diese Emotionen am meisten schürt", sagte Auernhammer. Auch Rita Stockhofe (CDU) warf den Grünen vor, eine Lobbyistenpartei zu sein. Als Beleg dafür führte sie die Äußerung des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministers Remmel an, der sein Landesnaturschutzgesetz als Geburtstagsgeschenk an den "Naturschutzbund Deutschland" bezeichnet habe.

Ihr Fraktionskollege Kees de Vries hatte zuvor darauf verwiesen, es sei "nicht im Sinne eines so innovativen Landes wie dem unseren und seiner Bevölkerung, uns so radikal von weltweiten Entwicklungen bei der Gentechnik abzukoppeln". Die Regelung der Bundesregierung zur Übernahme der Brüsseler Opt-Out-Regelung nannte er einen guten Kompromiss. Das für ein Anbauverbot das Einvernehmen von sechs Ministerien benötigt wird, ist aus Sicht des Unionsabgeordneten kein Problem. Zumindest "solange sich die öffentliche Meinung und die korrespondierende Position der Bundesregierung und der Landesregierungen zum Thema GVO nicht ändern".

Neben der Reform des Gentechnikrechts spielte auch die am 11. November 2016 in Brüssel anstehende Abstimmung über Anbauverbote genveränderter Maissorten während der Debatte eine Rolle. Die Grünen hatten dazu einen Antrag (18/10029) vorgelegt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, gegen die Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie MON810 zu votieren.

Landwirtschaftsminister Schmidt, der der Debatte interessiert folgte, das Wort aber nicht ergriff, habe auf seine Nachfrage geantwortet, er wisse noch gar nicht, wie er dieses Mal abstimmen werde, sagte Ebner. Für den Grünen-Politiker ist die Sache ganz klar: "Wenn Sie den Genmais auf unseren Äckern wirklich verhindern wollen, machen Sie es wie das Europäische Parlament und stimmen Sie in Brüssel endlich mit Nein", forderte er.

Warum sich Deutschland in solchen Fragen im EU-Rat oftmals enthält, erläuterte Drobinski-Weiß. "Sozialdemokratisch geführte Häuser der Bundesregierung stimmen regelmäßig gegen eine solche Zulassung, die unionsgeführten hingegen dafür", sagte die SPD-Politikerin.

Keine Sofortabstimmung Zu der von den Grünen gewünschten Sofortabstimmung über den Antrag kam es schlussendlich nicht. Steffi Lemke, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, hatte dafür geworben. Sie verwies darauf, dass die Abstimmung im EU-Rat schon in der nächsten Sitzungswoche des Bundestags stattfindet und die Bundesregierung doch sicher im Vorfeld Bündnispartner für eine Entscheidung finden wolle. Die SPD stimmte aber mit ihrem Koalitionspartner gegen die Sofortabstimmung und damit für eine Überweisung in den Agrarausschuss. So schlagkräftig ist die rot-rot-grüne Koalition in Sachen Gentechnikverbot dann doch nicht.