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sOMALIA : »Töricht, sich die Clanstrukturen wegzuwünschen«

Die Bundeswehr soll am Horn von Afrika weiterhin Soldaten ausbilden. Die Opposition befürchtet, auf diesem Wege künftige Milizen zu trainieren

13.03.2017
2023-08-30T12:32:17.7200Z
3 Min

"Konflikt, Dürre, Klimawandel, Krankheit, Cholera. Diese Kombination ist ein Alptraum", warnte UN-Generalsekretär António Guterres vergangene Woche in Somalia. Anlass seines Dringlichkeitsbesuchs ist eine anhaltend schwere Dürre, die nun eine Hungerkrise nach sich zieht. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes, sechs Millionen Menschen, sind laut UN auf humanitäre Hilfen angewiesen.

Die Bundesregierung hat Ende Februar 16,5 Millionen Euro bereitgestellt - darauf verwies Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, vergangene Woche in einer Debatte zur Verlängerung des Ausbildungseinsatzes der Bundeswehr in dem ostafrikanischen Land (EUTM Somalia). "Somalia bleibt ein fragiler Staat, von dem eine Gefahr für die Stabilität am gesamten Horn von Afrika ausgeht", heißt es in einem Antrag der Bundesregierung (18/11273). Die bisherigen Fortschritte - etwa die Ausbildung von bislang rund 5.400 somalischen Soldaten seien nicht ausreichend, um die Streitkräfte zu befähigen, "eigenverantwortlich die Sicherheit des Landes und der somalischen Bevölkerung zu garantieren." Die Ausbildungsmission werde teilweise neu ausgerichtet, heißt es weiter. "Dies umfasst sowohl einen Wechsel von der lehrgangsgebundenen Individualausbildung zur Ausbildung für geschlossene, clanübergreifende somalische Einheiten (Kompaniestärke) als auch die Ausweitung der Beratung der somalischen Armeeführung und des somalischen Verteidigungsministeriums." Ziel sei, eine nationale Sicherheitsarchitektur aufzubauen, in die die ausgebildeten Einheiten integriert werden können.

Michael Roth lenkte in der Debatte den Blick auf Fortschritte im politischen Prozess: Anfang Februar sei ein Präsident gewählt worden, "von einem Parlament, das erstmals in der Geschichte Somalias alle Regionen und die dort lebenden Volksstämme und Clans weitestgehend repräsentiert". Niemals zuvor sei eine somalische Regierung derart umfassend demokratisch legitimiert gewesen. EUTM Somalia leiste einen "wichtigen Beitrag, um das Land dauerhaft zu stabilisieren", sagte Roth. Wie wichtig das sei, zeige sich schon daran, dass der Abzug von AMISOM, der Friedenmission der Afrikanischen Union, und die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die somalischen Sicherheitskräfte bis 2020 abgeschlossen sein soll.

Alexander S. Neu (Die Linke) sprach hingegen von "Stümperhaftigkeit" bei der an sich notwendigen Reform des Sicherheitssektors in Somalia. Das zeige sich an Korruption und Desertationen in der Armee und auch daran, dass helfende Staaten mit ihren Ausbildungseinsätzen ihre ganz eigenen Interessen verfolgen würden. "Hinzu kommt der US-Drohnenterror über Somalia", der auch den Terrorismus fördere. "Das alles untergräbt letztendlich einen effektiven Staatsaufbau", sagte Neu und forderte angesichts der schweren Dürre in der Region: "Hungerbekämpfung statt Bundeswehr in Somalia".

Ralf Brauksiepe (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sprach von der "schwierigen Aufgabe, ein von Hungersnot, Dürren und Terroranschlägen bedrohtes Land aus seiner Fragilität herauszuführen". Er wehrte sich gegen den Vorwurf, die Probleme zu übersehen: Das Ausbildungskonzept sei auch auf Betreiben aus Berlin neu ausgerichtet worden und gehe nun weg von der Ausbildung einzelner Rekruten hin zu einer clanübergreifenden gemeinsamen Ausbildung ganzer Kompanien. "Es wäre ja töricht, sich die Clanstrukturen nur wegzuwünschen. Sie sind da, und wir müssen mit ihnen umgehen", sagte Brauksiepe.

Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) hingegen sprach von einem "verkorksten Mandat", dessen Kernproblem die Korruption in der somalischen Armee und ausbleibende Gehälter seien. "Wenn Menschen, die an Waffen ausgebildet werden, keinen Sold bekommen, werden sie sich andere Arbeitgeber suchen." Diese Arbeitgeber seien genau jene Milizen, die die Gewalt im Land noch weiter antreiben würden. "Wir liefern diesen Milizen damit gut ausgebildetes Personal." Wenn Deutschland in den Augen der Menschen in Somalia mit solchen Praktiken assoziiert werde, "dann schaden wir nicht nur dem Ansehen unseres Landes, sondern wir verlieren auch Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit" in Somalia.

Der Antrag der Bundesregierung wurde in die Ausschüsse überwiesen. Das Mandat ist befristet bis zum 31. März 2018; zum Einsatz kommen sollen unverändert bis zu 20 Soldaten. Die einsatzbedingten Zusatzkosten beziffert die Bundesregierung auf rund 4,1 Millionen Euro.