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Pkw-Maut : Dank Merkels Hilfe

Das CSU-Prestigeprojekt drohte zu scheitern, ehe ein »Ja« der Kanzlerin ihm neues Leben einhauchte

24.07.2017
2023-08-30T12:32:25.7200Z
4 Min

Die Aussage ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. "Mit mir", so sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drei Wochen vor der Bundestagswahl 2013 vor einem Millionenpublikum im Fernsehen, "wird es eine Pkw-Maut nicht geben." Dreieinhalb Jahre später ist das Gesetz zur Pkw-Maut durch den Bundestag gegangen. Seit Juni 2017 laufen die europaweiten Ausschreibungen für den "Betrieb der Erhebung und der Kontrolle der Infrastrukturabgabe", wie das Verkehrsministerium mitteilt. Dabei schien die Maut schon gestorben, ehe ausgerechnet die Kanzlerin Ende 2016 dem CSU-Projekt neues Leben einhauchte.

Die CSU hatte schon lange das Projekt einer Pkw-Maut verfolgt, um Ausländern, die deutsche Straßen nutzen, zur Kasse zu bitten. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) machte sich schon zu seiner Amtszeit lautstark Gedanken über eine solche Abgabe. CSU-Chef Seehofer schließlich schrieb die Pkw-Maut in den Koalitionsvertrag von Union und SPD. Gut passte es daher, dass mit Alexander Dobrindt erneut ein Christsozialer das Verkehrsministerium übernahm. Fortan verfolgte er mit Vehemenz das Lieblingsprojekt seiner Partei - anfangs jedoch mit mäßigem Erfolg.

Zwar ging Dobrindts Gesetzentwurf im März 2015 tatsächlich durch den Bundestag. Trotz der Kritik der Opposition und dem erkennbaren Widerwillen des Koalitionspartners SPD. Nutzer deutscher Autobahnen sollten eine Infrastrukturabgabe zahlen, aber deutsche Fahrzeuginhaber sollten diese mit der Kfz-Steuer verrechnen können und damit am Ende mit plus minus null dastehen. Doch die EU-Kommission machte den Plänen Dobrindts und Seehofers einen Strich durch die Rechnung. Wegen der drohenden Diskriminierung von Ausländern leitete sie ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Die Maut geriet zur Hängepartie, bis Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf den Plan trat. Dem Vernehmen nach fragte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Kanzlerin, ob sie denn die Maut wolle. Ein Ja Merkels und ein paar kosmetische Korrekturen am Gesetz reichten aus, um die Bedenken Junckers zu zerstreuen. Die Diskriminierung von Ausländer war aus Sicht der EU-Kommission dank geänderter Preise für Kurzzeitvignetten und einer stärkerer Steuerentlastung für umweltschonende Euro-6-Fahrzeuge nicht mehr zu erkennen.

Fragen zu Einnahmen Den Änderungen stimmte der Bundestag Ende März 2017 zu. Bedenken gab und gibt es jedoch nach wie vor. Beispielsweise in der Frage der Einnahmen: Verkehrsminister Dobrindt geht von Mauteinnahmen durch ausländische Pkw in Höhe von 834 Millionen Euro aus, die nach Abzug der Systemkosten von 211 Millionen Euro sowie der Kosten für die zusätzliche Steuerentlastung in Höhe von 100 Millionen Euro zu einer Nettoeinnahme von 524 Millionen Euro führen. Laut dem Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger ist hingegen im ersten Jahr nach Einführung mit einem Minus von 71 Millionen Euro zu rechnen. In den folgenden Jahren sei mit einer Erhöhung des Verlustbetrages zu rechnen, sagte er bei einer Expertenanhörung vor dem Verkehrsausschuss.

Die erheblichen Unterschiede bei den Einnahmeschätzungen durch ausländische Pkw-Fahrer - Verkehrsministerium: 834 Millionen Euro, Ratzenberger 276 Millionen Euro - erklärte Ratzenberger mit unterschiedlichen Prognosewerten in Bereichen, für die es keine empirischen Grundlagen gebe. Dies beträfe vor allem die Zahl an Ein- und Durchfahrten (EuD) von Ausländern ohne Übernachtung, die nicht erfasst würden, da es keine Grenzkontrollen gebe. Während die Gesamtzahl in den Schätzungen kaum voneinander abwichen, gebe es erhebliche Unterschiede, was die Zahl der betroffenen Pkw angeht, sagte Ratzenberger.

Auch in der Frage der Konformität mit dem Europarecht gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Bielefelder Verfassungsrechtler Franz Mayer hält die Abgabe "nach wie vor für europarechtswidrig", da noch immer nur Inländer entlastet und daher Ausländer diskriminiert würden. Sein Bonner Kollege Christian Hillgruber sieht hingegen keine mittelbare Diskriminierung von Ausländern. Hillgruber verweist auf die Eurovignetten-Richtlinie, laut der ein angemessener Ausgleich zur Mauterhebung - auch über die Kfz-Steuer - möglich sei.

»Wer nutzt, der zahlt « Minister Dobrindt ist hingegen zufrieden über den "echten Systemwechsel von der Steuerfinanzierung der Infrastruktur zur Nutzerfinanzierung". Wenig verwundert darüber, dass die EU-Kommission nun doch den Weg für die Maut freigemacht hat, gibt sich Ulrich Lange (CSU). "Das Gesetz war von Anfang an europarechtskonform", sagte er. Auf Seiten der SPD wird man nicht müde zu betonen, man habe der Maut nur zugestimmt, weil diese im Koalitionsvertrag enthalten sei und die SPD "vertragstreu und ein verlässlicher Partner ist", wie Fraktionsvize Sören Bartol sagte.

Für Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, ist das jedoch kein Grund, "den größten Unsinn mitzumachen". Auch die Linksfraktion hält an ihrer Ablehnung der Abgabe fest. Die "Ausländermaut" sei mit erheblichem Aufwand und viel Bürokratie verbunden, und stelle am Ende "möglicherweise ein Minusgeschäft dar", kritisierte Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens.

Ab 2018 soll die Infrastrukturabgabe erhoben werden. Dazwischen liegt aber noch die Bundestagswahl.