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EDITORIAL : Rohstoff der Zukunft

04.12.2017
2023-08-30T12:32:30.7200Z
2 Min

"Schön ist der Glocke Klang, du hörst ihn gern mein Kind; ruft er zur Schule dich, so geh geschwind." So steht es in einer Schulanfänger-Fibel aus dem 18. Jahrhundert. Schon damals gab es in einigen Gebieten Deutschlands eine Schulpflicht, die allerdings ein Großteil der Eltern ignorierte. Vor allem Bauernfamilien benötigten ihre Kinder als Arbeitskräfte. Warum zur Schule schicken, wenn sie auf dem Acker besser zur Existenz beitragen konnten?

Die Zeiten haben sich fundamental geändert. 300 Jahre später gilt Bildung als Währung des 21. Jahrhunderts. Bildung und Wissen, so ist landauf landab zu lesen, sind die Rohstoffe der Zukunft. Alle 16 Bundesländer kennen heute eine gesetzliche Schulpflicht, wer die Pauke schwänzt, dem drohen Strafen.

Demgegenüber steht jedoch ein schwächelndes Schulsystem. Zu wenig Lehrer, zu wenig Schulen, massive Unterrichtsausfälle, marode Gebäude. Klassenzimmer, in denen weder Computer noch WLAN vorhanden sind. Die soziale Herkunft, das zeigen unzählige Studien, entscheidet auch in Deutschland nach wie vor stark über die Bildungschancen eines Kindes. Aus den Universitäten ist zu hören, dass es dem Nachwuchs an Grundwissen in Deutsch und Mathematik mangelt. Brauchte Deutschland nicht dringend Fachkräfte?

Klar ist allen Beteiligten, dass dieses Land mehr Geld in die Hand nehmen muss, um Schulen zu sanieren und Klassen mit digitalen Medien auszustatten. Umstritten ist indes die Frage: Muss Deutschland wirklich 16 Schulsysteme haben, einen innerdeutschen Wettbewerb der verschiedenen Modelle pflegen, als wäre Bildung ein Produkt der Marktwirtschaft wie Autos oder Fernseher? Ausbaden müssen diesen Wettstreit der (vermeintlich) besten Lösungen die Kinder, die eben nicht in jedem Land die gleichen Bildungschancen haben.

Wissen ist Macht, wusste schon Francis Bacon. Aber er sichert auch Wohlstand. Um ihn zu bewahren, braucht Deutschland gerade in der Bildung einen modernen Föderalismus, keinen, in dem jeder sein eigenes Süppchen kocht. Das heißt: bundesweite Standards für Schulstufen, Prüfungen und Abschlüsse, Investitionen von Bund, Ländern und Gemeinden - Kooperationsgebot statt -verbot. Viele Parteien fordern das bereits. Abzuwarten bleibt, ob eine neue Koalition das Thema tatsächlich anpackt.