Landwirtschaft : Debatte zum Glyphosat-Alleingang
SPD verärgert über die Union
Groll bestimmt das Verhältnis der Sozialdemokraten gegenüber ihrem Ex-Koalitionspartner CDU/CSU. Die Zustimmung Deutschlands zur Verlängerung der Zulassung des Herbizids Glyphosat auf EU-Ebene Ende November hat am vergangenen Dienstag die Debatte im Parlament über die Zukunft des Wirkstoffes belastet. Mehrere Anträge der Grünen (19/230, 19231), der SPD (19/232), der FDP (19/216) und Die Linke (19/226) standen zur Diskussion, nachdem das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium statt sich zu enthalten, für die Zulassungsverlängerung in Brüssel gestimmt hatte. Damit führte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) seine sozialdemokratische Kollegin Barbara Hendricks vor, die als Umweltministerin gegen eine Verlängerung war. Enthaltung hätte nach Ansicht der SPD die Kompromissformel nach bewährter Koalitionspraxis der vergangenen Wahlperiode gelautet. Innerhalb der neuen geschäftsführenden Bundesregierung nahm sich Minister Schmidt allerdings die Freiheit, allein zu entscheiden.
Nationaler Ausstieg Grund genug für die SPD, in einem Antrag den nationalen Ausstieg aus der Anwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln zu fordern. Für Haus- und Kleingärten, auf öffentlichen Flächen und innerhalb geschlossener Ortschaften soll das Verbot sofort gelten. Karl Lauterbach (SPD) beschwerte sich zudem, dass der Minister mit seinem Alleingang über die fachliche Expertise der Gesundheitspolitiker hinweggegangen sei. "Denn die Produkte, mit denen Glyphosat verwendet wird, machen die Krebserregung", sagte er. Die Kombination des Wirkstoffes mit anderen Mitteln müsse kritisch betrachtet werden. Diejenigen, die Glyphosat anwenden, seien von einem erhöhten Risiko betroffen. "Ja, es ist schwer zu ersetzen", gab Lauterbach indes zu, "aber es darf nicht verharmlost werden."
In dieselbe Kerbe schlug Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen. Durch die Zustimmung in Brüssel sei nun Schadensbegrenzung auf nationaler Ebene nötig. Der Minister habe bisher kein Gesetz erlassen, das die heimische Anwendung regelt, stattdessen sei ein europäischer Glyphosatausstieg verhindert worden. Ebner forderte ein Ende des Einsatzes zum Schutz der Artenvielfalt und zur Wahrung des Vorsorgeprinzips sowie einen Ausstiegsplan, der umweltverträgliche Alternativen anbieten soll. Zudem forderte er die Gefährdung der Honig- und Wildbienen mithilfe eines EU-Freilandverbots für bienengiftige Neonikotinoide zu reduzieren. Das Insektensterben und der Einsatz von Neonikotinoiden hängen seiner Ansicht nach zusammen. Wenn die EU etwas dagegen unternimmt, müsse Deutschland dies unterstützen.
Im Namen des gescholtenen Ministers wandte Hermann Färber (CDU) gegen die Kritik ein, dass Angst und Panik gemacht werde, um die Debatte über Glyphosat zu bestimmen. Die Kritiker sollten ein aufwändiges Prüf- und Zulassungsverfahren, das wissenschaftlich basiert sei, nicht so einfach infragestellen. "Der Einsatz von Glyphosat ist streng geregelt." Der Wirkstoff verfüge im Vergleich zu anderen Produkten über viele Vorteile und sei das am besten untersuchte Pflanzenschutzmittel der Welt. Andere Herbizide, die dieselben positiven Eigenschaften aufweisen, gebe es nicht, so der Unionsabgeordnete. Er stimmte aber der Forderung der SPD-Vorlage zu, dass die Zulassungsverfahren optimiert werden müssen.
Frank Sitta (FDP) pflichtete bei, dass Glyphosat intensiv erforscht sei. Bei sachgerechter Anwendung seien keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Tier zu vermuten. Er forderte deshalb, dass die Zulassung weiterhin ausschließlich auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen müsse ungeachtet der Versuche weltanschaulicher Einflussnahme und unter der Maßgabe von Sachlichkeit, Rationalität sowie Fachlichkeit. Dies müsse auf nationaler Ebene auf der Grundlage der Expertise zuständiger Zulassungs- und Bewertungsbehörden streng wissenschaftsgeleitet betrieben werden. Einher ging damit jedoch die Forderung, dass die Verfahren transparenter zu gestalten seien. "Nehmen sie die Sorgen in der Bevölkerung ernst", forderte Sitta. Ein ordentliches Genehmigungsverfahren dürfe aber auch nicht politisch instrumentalisiert und das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Zulassungsverfahren untergraben werden.
Die Linke forderte hingegen ein Verbot. Kirsten Tackmann (Die Linke) kritisierte, dass sich Christian Schmidt bisher weggeduckt habe und sich nun für Glyphosat stark mache, obwohl der Preis für die Umwelt dafür zu hoch sei. Gut sei, dass das Mittel weniger Bodenbearbeitung erfordere und damit weniger Bodenerosion und mehr Klimaschutz zur Folge habe. Dagegen spreche, dass Glyphosat in Lebensmitteln nachgewiesen werden könne und der Minister dem Gemeinwohl verpflichtet sei. Die Linke forderte aus diesem Grund, durch Sofortmaßnahmen direkte und indirekte gesundheitliche und ökologische Gefahren und Risiken für Mensch und Tier auszuschließen.
Verbieten ja, aber nicht so schnell, forderte auch Stephan Protschka von der Alternative für Deutschland. Das dürfe nicht von heute auf morgen geschehen, denn "derzeit ist es nicht aus der Landwirtschaft wegzudenken". Die Landwirte seien darauf angewiesen. Er kritisierte den "hektischen Aktionismus", der seiner Meinung nach der koalitionslosen Zeit geschuldet sei. "Weder rot-grün, noch schwarz-gelb, noch schwarz-rot haben etwas gegen Glyphosat getan", resümierte er. Weil die Jamaika-Gespräche keine Chance hatten, würde sich nun auf das Glyphosat gestürzt. Alle Anträge wurden zur weiteren Beratung an der Hauptausschuss überwiesen. Jan Eisel