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Privatisierung : Der Eifer lässt nach

Bundesregierung hält an ihren Firmenbeteiligungen fest

05.03.2018
2023-08-30T12:34:25.7200Z
3 Min

Entgegen vieler Annahmen war die Wirtschaft in der alten Bundesrepublik stark vom Staat geprägt: Wer einen VW fuhr, ein Flugticket von der Lufthansa oder eine Bahnfahrkarte kaufte, ein Telefongespräch führte, eine Briefmarke erwarb oder ein Paket bei der Post aufgab, hatte es mit staatlichen oder vom Staat dominierten Unternehmen zu tun. Und entgegen vieler Annahmen mischt der Bund trotz aller Privatisierungen auch heute noch in vielen Wirtschaftsbereichen kräftig mit: An insgesamt 106 Unternehmen war der Bund Ende 2016 beteiligt. Dies geht aus dem jüngst vom geschäftsführenden Finanzminister Peter Altmaier (CDU) vorgelegten Beteiligungsbericht hervor.

Zuschussgeschäft Zwar besitzt der Bund keine Anteile mehr an Volkswagen (dort ist aber noch das Land Niedersachsen aktiv) oder an der Lufthansa. Die Deutsche Bahn ist jedoch trotz aller Privatisierungsbemühungen zu 100 Prozent in Bundesbesitz geblieben. Nur die Rechtsform wurde in Aktiengesellschaft geändert. Tatsächlich aber kann weiterhin der Bund als Alleineigentümer die Weichen stellen - und muss kräftig Geld zuschießen: Laut Beteiligungsbericht waren es im Jahr 2016 knapp 5,1 Milliarden Euro. Das gilt für die anderen großen noch verbliebenen Beteiligungen nicht. Sie machen Gewinne und schütten Dividenden aus. Die Deutsche Telekom gehört inzwischen zu zwei Dritteln privaten Aktionären. Der Bund hält direkt noch knapp 15 und indirekt über die KfW-Bankengruppe mehr als 17 Prozent. Bei der KfW liegen auch die letzten rund 20 Prozent Bundesanteil an der Deutschen Post AG.

Die KfW wiederum gehört zu 80 Prozent dem Bund, der Rest der Anteile liegt bei den Bundesländern. Sie ist keine klassische Bank, bei der jedermann ein Konto eröffnen könnte, sondern unterstützt als Förderbank "die nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen, unter anderem in den Bereichen Mittelstand, Existenzgründung, Umweltschutz, Wohnungswirtschaft, Infrastruktur, Bildungsförderung, Projekt- und Exportfinanzierung und Entwicklungszusammenarbeit", heißt es im Beteiligungsbericht. Dagegen ist die Commerzbank eine Bank mit Privatkundengeschäft. Dass der Bund an dem Unternehmen mit 15,6 Prozent beteiligt ist, ist Folge der Finanzkrise, als die Commerzbank Unterstützung benötigte. Das andere damals übernommene Institut, die "Hypo Real Estate", wurde größtenteils abgewickelt, und der profitable Rest als "Deutsche Pfandbriefbank" privatisiert. Ebenso wurde die bis zur Finanzkrise unter maßgeblichem KfW-Einfluss stehende Düsseldorfer Industriebank (IKB) zunächst gerettet und dann an einen amerikanischen Finanzinvestor verkauft (siehe Bericht unten).

Seit einigen Jahren hält sich der Privatisierungseifer des Bundes in Grenzen, auch wenn Altmaier im Beteiligungsbericht versichert, "es entspricht einem ordnungspolitischen Grundsatz unserer Sozialen Marktwirtschaft, staatliche Unternehmensbeteiligungen auf das Notwendige zu reduzieren. Deshalb wird das wichtige Bundesinteresse an einer Beteiligung fortwährend überprüft. Entfällt es, prüft der Bund Privatisierungsmöglichkeiten."

Die Prüfung kann man sich vermutlich bei der Bundesbeteiligung von 26 Prozent am Berliner Flughafen sparen, dessen neues Terminal wegen diverser Bau- und Planungsmängel bisher nicht eröffnet werden konnte. Besser sähe die Lage bei den anderen Flughafenbeteiligungen in München (26 Prozent Bundesanteil) und Köln/Bonn (rund 30 Prozent) aus.

Manchmal gibt es auch Rollen rückwärts: So war die Bundesdruckerei in Berlin, die unter anderem Personalausweise herstellt, privatisiert worden. Der Investor erlitt Schiffbruch; inzwischen ist die Bundesdruckerei mit ihren rund 2.400 Beschäftigten wieder zu 100 Prozent in Bundesbesitz. Die BW Bekleidungsmanagement GmbH sollte die Soldaten der Bundeswehr einkleiden. Die 2002 erfolgte Privatisierung ging schief. Seit 2015 gehört das Unternehmen - stark verkleinert - wieder zu 100 Prozent dem Staat.

Aufgestockt wurde sogar das Telekom-Aktienpaket des Bundes. Die Telekom bietet den Aktionären seit einigen Jahren statt Dividende alternativ auch den Bezug von Aktien an. Davon macht der Bund seit 2015 Gebrauch, indem er nur einen Teil der Dividenden nahm (zusammen 431,94 Millionen Euro) und sich den Rest in Form von rund 28,2 Millionen Aktien ins Depot packte.