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Fahrverbote : Gefahr für den Diesel

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts streiten die Fraktionen über die Konsequenzen

05.03.2018
2023-08-30T12:34:25.7200Z
4 Min

Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zu den Diesel-Verkehrsverboten gibt es nun endlich in einer Sache Klarheit: Fahrverbote in deutschen Städten sind erlaubt, wenn es nicht anders möglich ist, die Schadstoffgrenzwerte einzuhalten. Die Bundesregierung will dies verhindern - unter anderem mit dem "Sofortprogramm Saubere Luft". Eine Milliarde Euro stehen zur Verfügung für "Elektrifizierung des Verkehrs", die "Nachrüstung von Dieselbussen im Öffentlichen Personennahverkehr" sowie die "Digitalisierung des Verkehrs". Benötigt würden intelligente Maßnahmen, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Norbert Barthle (CDU), vergangene Woche während einer Aktuellen Stunde im Bundestag, bei der einmal mehr Dissonanzen innerhalb der Bundesregierung deutlich wurden.

Stichwort "Blaue Plakette": Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) plädiert schon seit längerem für eine solche Positivkennzeichnung von "sauberen Fahrzeugen" und wiederholte diese Forderung vor dem Plenum. Ansonsten könnten mögliche Fahrverbote zu paradoxen Ergebnissen führen, sagte sie. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn auch nachgerüstete oder neue und damit besonders saubere Diesel nicht mehr fahren dürften.

Barthle hält von solch einer Plakette hingegen gar nichts. Diese würde eine "kalte Enteignung" von Millionen von Dieselfahrern darstellen. "Davor werden wir die Menschen schützen", betonte er. Im Übrigen, so der Staatsekretär weiter, habe das Gericht weder Fahrverbote angeordnet noch eine Blaue Plakette gefordert.

Und so hofft man weiter auf ein Einsehen der Autoindustrie. Es sei zutiefst ungerecht, dass Autofahrer, die sich mit gutem Gewissen einen neuen Diesel gekauft haben, das Problem nun ausbaden müssten, sagte Hendricks. Wer seinen Diesel nachrüsten wolle, bei dem müsse der Hersteller das übernehmen. Zwingen, das hat die Vergangenheit gezeigt, kann die Ministerin die Autobauer aber eben nicht.

Hohe Grenzwerte Einen anderen Ansatz, um nicht die Grenzwerte zu überschreiten, verfolgt die AfD. Aus ihrer Sicht sind die 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, die die EU als Höchstwert für Stickoxidemissionen angibt, zu hoch. Der Grenzwert gehe auf eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurück, "die aber nur epidemiologische Rechnungen mit großen Sicherheitsmargen durchgeführt hat, aber eben keine medizinisch-wissenschaftlichen Untersuchungen", wie Wolfgang Wiehle (AfD) während der Debatte zum kostenlosen ÖPNV schon deutlich gemacht hatte. Die amerikanische Umweltbehörde EPA dagegen, "die sicher nicht lasch ist", betrachte eine Belastung von unter 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft als Ausdruck guter Luftqualität. Mit diesem Ansatz steht die AfD offenbar nicht ganz allein. Auch Frank Sitta (FDP) betonte, die Grenzwerte seien staatlich festgelegt "und nicht gottgegeben". Die Menschen dürften nicht zu Opfern fragwürdiger Grenzwerte werden, sagte Sitta. Im Übrigen sei ein deutlicher Trend hin zu einer verbesserten Luftqualität in deutschen Städten erkennbar.

Das bestätigte auch Oliver Wittke (CDU). "Wer nicht bereit ist, das zu sehen und zu akzeptieren, ist ignorant und kann keine seriöse Politik machen", befand er. Die Anzahl der Städte, die die "ambitionierten Grenzwerte der EU" nicht einhalten, habe sich von 2016 bis 2017 um über 20 reduziert. "Das ist ein großer Erfolg und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt er. Ohne den Vorwurf konkret zu adressieren sagte er weiter, es gebe derzeit einen Feldzug gegen die Dieseltechnologie. Dieser richte sich gegen das Auto an sich. Es gehe dabei nicht mehr darum, die Luftqualität zu verbessern.

Ingrid Remmers (Die Linke) geht es "um den Schutz der Gesundheit und nicht um den Schutz des Diesels". Remmers kritisierte die Bundesregierung. Sie trage die Verantwortung dafür, dass die Grenzwerte auch acht Jahre nach ihrer Festlegung noch immer nicht eingehalten würden. Die Regierung habe zudem schon frühzeitig gewusst, dass mit den Autoherstellern ein ganzer Industriezweig die Einstellung entwickelt habe, "wir können tun und lassen, was wir wollen".

Statt nun die Autoindustrie endlich zu effektiven Maßnahmen zu zwingen, lasse sie sich auf "lasche Vereinbarungen mit diesen Gesetzesbrechern ein". Der Verzicht auf fällige Strafzahlungen sei ein "schmutziger Deal". Klar sei, dass die Autoindustrie die Fahrzeuge auf eigene Kosten mit einem funktionierenden Abgasreinigungssystem ausstatten müsse, befand die Linken-Abgeordnete.

"Die Hersteller müssen dazu gezwungen werden, die Fahrzeuge sauber zu machen", forderte auch Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen). Aus seiner Sicht wäre das Urteil von Leipzig nicht nötig gewesen, wenn die Bundesregierung eher gehandelt hätte. "Wenn es zu Fahrverboten kommen sollte, sind das Ihre Fahrverbote", sagte Krischer in Richtung Bundesregierung. Diese würde das Problem bei den Menschen in den Innerstädten, bei den Dieselbesitzern und den Kommunen abladen. "Das Urteil ist ein Weckruf, damit Sie das tun, was Sie seit Jahren versäumen", sagte der Grünen-Abgeordnete. Dazu zähle auch die Einführung einer Blauen Plakette, "so wie es die Kommunen auch fordern".

Kundenbindung Kirsten Lühmann (SPD) kritisierte die Forderung, sich statt für saubere Luft doch eher für höhere Grenzwerte einzusetzen. Die modernste Dieseltechnologie sei "der sauberste Motor, den wir im Moment haben". Allerdings könnten derzeit noch keine Autos mit dieser modernsten Technologie von deutschen Herstellern bestellt werden, was keine vertrauensbildende Maßnahme sei, wie die SPD-Abgeordnete befand.

Er wünsche dem Diesel eine Zukunft, sagte Lühmanns Fraktionskollege Arno Klare. Die werde er aber nur haben, wenn die Autobauer tatsächlich bereit sind, "auch die Bestandsflotte nachzurüsten". Klare plädierte an die Hersteller: "Rüstet nach. Das ist in eurem Sinne und schafft Kundenbindung und Vertrauen."