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friedenssicherung : »Wir müssen etwas gegen die ungleiche Entwicklung in der Welt…

Verschiedene multilaterale Organisationen beteiligen sich an Einsätzen zur Konfliktlösung. Nicht immer ist ein dauerhaft friedlicher Ausgang garantiert

09.04.2018
2023-08-30T12:34:27.7200Z
4 Min

Herr Gareis, neben der UNO beteiligen sich auch andere multilaterale Organisationen an der internationalen Friedenssicherung. Wie funktioniert das?

Die Vereinten Nationen stellen mit den Beschlüssen des Sicherheitsrates das völkerrechtliche Rahmenwerk und erteilen das Mandat für einen Einsatz. Die UN arbeiten mit einer Reihe von Regionalorganisationen zusammen. Die Afrikanische Union (AU) etwa unterhält mit der UNO eine "hybride Mission" in Darfur (UNAMID). Neben den reinen Blauhelmeinsätzen der UN gibt es sogenannte mandatierte Einsätze, bei denen die regionalen Organisationen eine Mission selbst planen, finanzieren und ausführen. In Somalia zum Beispiel organisiert die AU eine mandatierte Mission (AMISOM). Es gibt aber auch Fälle, wo die UN und eine oder mehrere Organisationen parallel in Aktion treten, etwa im Kosovo, oder im Kongo 2006, wo neben der UN auch die Europäische Union (EU) mit einer Mission aktiv war.

Und diese Doppel-Missionen sind erfolgreich?

Das kann man schon so sagen, denn beide Seiten haben etwas davon. So bekommen die UN Unterstützung auch in komplizierten Einsätzen, und die EU oder die NATO können auf ihre eigenen Strukturen zurückgreifen.

Andererseits kann jeder Soldat und jeder Hubschrauber nur einmal eingesetzt werden, und wenn die Kräfte schon in EU- oder NATO-Operationen eingebunden sind, stehen sie der UN nicht mehr zur Verfügung. Das ist dann eine Art Zwei-Klassen-Friedenssicherung mit womöglich schlechter ausgestatteten UN-Missionen. Im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina haben solche Einsätze auf der Basis eines UN-Mandates mit der NATO und EU aber gut funktioniert.

Es werden auch alternative Formate zur Friedenssicherung diskutiert, wie weit gediehen sind diese Überlegungen?

Die Ideen kommen immer mal wieder auf, wenn man mit der UNO unzufrieden ist. Dann werden sogenannte Club-Governance-Formate diskutiert, um mit einer kleineren Zahl von Mitgliedern schneller zu Ergebnissen zu kommen. Diesen fehlt aber schlicht die Legitimation, während die UNO mit ihrer Charta das Völkerrecht und die Staatengemeinschaft repräsentiert. Das ist letztlich der einzige legitime Rahmen für weitreichende Entscheidungen über Krieg und Frieden.

Die G7- oder die G20-Staaten etwa haben faktisch viel Macht und können große politische Wirkung entfalten, aber die rechtliche Legitimation hat nur die UNO.

Die Staatengemeinschaft steht neben der Konfliktbewältigung noch vor weiteren großen Herausforderungen. Welches Problem muss vor allem gelöst werden?

Die entscheidende Aufgabe besteht darin, etwas gegen die ungleiche Entwicklung in der Welt zu unternehmen. Es gibt eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, was die Zugänge zu Lebenschancen betrifft.

Die Bekämpfung der Unterentwicklung ist die entscheidende Herausforderung im 21. Jahrhundert. Die UNO hat ja 2015 die Ziele für nachhaltige Entwicklung ausgerufen, etwa gegen Armut, für bessere Gesundheit, Bildung, aber auch für den Schutz der Umwelt. Das ist ein wichtiger Ansatz, aber letztlich müssen alle Staaten, auch die Entwicklungsländer, ihre Verantwortung wahrnehmen, damit die Unterstützung nicht in den Taschen Weniger landet.

Wie bewerten Sie den jüngsten Konfrontationskurs der USA gegenüber der UNO? US-Präsident Trump fordert ja Reformen.

Die UN sind in einem permanenten Reformprozess und das wird so weitergehen. Die USA waren immer auch ein schwieriger Partner der UN. Sie haben Reformen gefordert und dabei auch den finanziellen Hebel eingesetzt. Das könnte jetzt wieder zu einer komplizierten Lage führen.

Wichtig ist, dass die UNO effizienter und effektiver wird. Das ist aber nicht einfach, weil die UNO aus 193 Staaten besteht, die ihre Interessen auch beim organisatorischen Zuschnitt und den Arbeitsweisen berücksichtigt sehen wollen.

Im Fall Syrien ist kürzlich eine Resolution des Sicherheitsrates für einen Waffenstillstand nicht umgesetzt worden. Woran liegt das?

In solchen Fällen heißt es dann immer, die UN hätten versagt, wenn schwach formulierte Resolutionen nicht eingehalten werden. Aber letztlich sind die einzelnen Mitglieder der UN verantwortlich. Gerade im Sicherheitsrat mit seinen fünf ständigen und zehn nichtständigen Mitgliedern ist nach wie vor zu beobachten, dass die einzelstaatlichen Interessen oft Vorrang haben.

In einigen Krisenregionen verfestigen sich die Konflikte. Welcher Regionalkonflikt macht Ihnen am meisten Sorgen?

Die Lage in Syrien ist furchtbar, auch im Jemen und in Sub-Sahara Afrika, wo die Dauerkonflikte schon fast zu einer Gewöhnung geführt haben. Die Probleme kommen nun auch hier an, weil massenhaft Menschen von dort nach Europa fliehen. Die Staatengemeinschaft muss daran arbeiten, die Lebenschancen dieser Menschen zu verbessern, was aber leichter gefordert, als politisch umgesetzt ist.

Die USA und Nordkorea haben sich unlängst gegenseitig mit einem Atomschlag gedroht. Sehen Sie einen Ausweg aus dem Atom-Dilemma?

Man wird schlicht anerkennen müssen, dass Nordkorea eine Atommacht ist und muss dann sehen, wie man mit dem neuen Status dieses Landes umgeht. Nordkorea ist sicher nicht darauf aus, seine Atomwaffen einzusetzen und einen Konflikt zu eskalieren, den es nicht gewinnen kann.

Es wird darum gehen, mit Nordkorea zu sprechen, Zeit zu gewinnen und auf graduelle Annäherungen zu setzen, um diesen gefährlichen Konfliktherd einzuhegen. Man kann nicht davon ausgehen, dass Nordkorea durch Sanktionen dazu gebracht wird, von seinem Atomprogramm abzusehen. Über Verhandlungen kann die Gefahr aber reduziert werden.

Wagen Sie eine Prognose, wie friedlich oder auch nicht die Erde in 20 Jahren sein wird?

Auf eine Prognose würde ich mich nicht einlassen. Wichtig ist, dass die Staaten und Gesellschaften erkennen, dass es nur diese eine Erde gibt und Konflikte, Bedrohungen und sozioökonomische Verwerfungen uns letztlich alle angehen. Wir brauchen mehr Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit, mehr Anstrengungen beim Klima- und Umweltschutz und insgesamt einen partnerschaftlichen Umgang der Staaten.

D as Gespräch führte Claus Peter Kosfeld.

Professor Sven Bernhard Gareis lehrt Politikwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er ist Experte für internationale Sicherheitspolitik und die Vereinten Nationen.