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AUSWÄRTIGES : Krisendiplomatie geht an die Substanz

Opposition hält Etat für unterfinanziert

22.05.2018
2023-08-30T12:34:29.7200Z
4 Min

Liberale, Linke und Grüne sind sich einig: Das ist eindeutig zu wenig. Die Oppositionsfraktionen halten mit Blick auf die weltweiten Konflikte und die diplomatischen und humanitären Herausforderungen das Auswärtige Amt in den Planungen für die nächsten Jahre für unterfinanziert. In der Debatte zum Haushalt für das Jahr 2018 (19/1700, Einzelplan 05) sahen vergangene Woche aber auch Vertreter der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD bei diesem Punkt noch "Fragezeichen" und "Diskussionsbedarf". In eine ganz andere Richtung ging die Kritik der AfD-Fraktion, die eine aus ihrer Sicht mangelnde Transparenz bei den Mitteln für die politischen Stiftungen aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes beklagte.

Laut Etatentwurf der Bundesregierung sollen die Mittel für das Auswärtige Amt leicht ansteigen auf 5,36 Milliarden Euro (2017: 5,23 Milliarden Euro). Der Eckwertebeschluss der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 2019 und zum Finanzplan 2018 bis 2022 sieht aber vor, dass die Mittel für das Haus von Minister Heiko Maas (SPD) ab dem Jahr 2020 wieder unter die Marke von fünf Milliarden Euro sinken sollen.

Maas (SPD) sprach in der Debatte von einem "fundamentalen Umbruch" in der vertrauten Weltordnung, in der die Prinzipien des Multilateralismus und des Völkerrechts infrage gestellt würden. Es gebe Versuche, Keile in das europäische Gefüge zu treiben, von China, Russland "und leider in gewisser Weise mittlerweile auch der USA". Die EU müsse "mit einer Stimme" für eine regelbasierte internationale Ordnung eintreten. "Europa muss in diesem Moment Lücken schließen, die andere aufreißen, auch jene, von denen wir nicht dachten, dass sie Lücken aufreißen." Maas betonte, dass die Bundesregierung am Atomabkommen mit dem Iran festhalten wolle. Die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen liege im ureigenen deutschen Sicherheitsinteresse.

Birgit Malsack-Winkemann (AfD) kritisierte, dass im Etatentwurf von echter parlamentarischer Kontrolle keine Rede sein könne. Durch Deckungsvermerke könne die Regierung Mittel hin- und herschieben wie sie wolle. Das Auswärtige Amt habe einen "Deckungskreislauf" entwickelt, mit dem fast die Hälfte des Gesamtetats der konkreten Kontrolle entzogen sei. Kritik übte Malsack-Winkemann an den Zuwendungen für die politischen Stiftungen mit ihren Auslandsbüros: So unterhielten die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung rund 180 Büros im Ausland und damit mehr Einrichtungen als das Auswärtige Amt mit seinen 153 Botschaften.

Jürgen Hardt (CDU) warnte, dass die regelbasierte internationale Ordnung heute in beispielsloser Weise herausgefordert sei. Zu den Entwicklungen, die das Vertrauen der Völkergemeinschaft in gemeinsame Regeln erschüttert hätten, gehöre etwa der Bruch des Budapester Memorandums und der Charta von Paris durch die russische Annexion der Krim im Jahre 2014, aber auch das "vom-Tisch-Wischen unterschriebener Verträge" durch den US-Präsidenten, sei es beim Pariser Klimaabkommen, in der Zollpolitik und nun beim Atomabkommen mit dem Iran. Die einzig wirksame Antwort auf diese Verschiebungen bezeichnete Hardt als "europäischen Imperativ": Die Maxime müsse sein, dass die EU-Mitglieder zusammenhalten. "Europa hat in der Außen- und Sicherheitspolitik klar Vorfahrt."

Michael Georg Link (FDP) kritisierte eine unzureichende Ausstattung des Auswärtigen Dienstes. "Wer nicht in die Substanz investiert, dem bricht irgendwann der Boden weg." Deutschland übernehme 2020 die EU-Ratspräsidentschaft und werde womöglich für zwei Jahre einen Sitz im UN-Sicherheitsrat haben, der Haushalt treffe dafür aber keine Vorkehrungen. Es sei ein Fehler, wenn die Diplomatie gerade dann "unter den Tisch fällt", wenn man außenpolitisch gefragt sei. Es müsse darum gehen, Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik enger zu verzahnen. Bei der Bundesregierung habe man aber den Eindruck, dass sich diese Ressorts "gegenseitig auf den Füßen stehen" und nur der am meisten Mittel bekomme, der am lautesten rufe.

Auch Michael Leutert (Die Linke) kritisierte, dass das Auswärtige Amt mittelfristig Kürzungen hinnehmen solle. "Ein Bundesfinanzminister, SPD, rasiert das Ministerium des SPD-Kollegen im Auswärtigen Amt." Leutert plädierte angesichts der Eskalation in Nahost auch dafür, außenpolitische Konzepte zu überdenken. So sei es nicht sinnvoll, Infrastruktur in Palästina aufzubauen, wenn gleichzeitig dort Schulbücher finanziert würden, in denen zum Hass gegen Israel aufgerufen werde. Die Lösung könne nicht darin liegen, sich wie die USA aus solchen Programmen zurückzuziehen, sondern mehr in sehr gutes Personal zu investieren, um das Feld nicht anderen Akteuren zu überlassen. "Das ist mit diesem Haushalt leider nicht möglich."

Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, dass die Koalition sich von ihrem Vorsatz, die geplanten Steigerungen im Verteidigungsetat an Steigerungen für Auswärtiges und Entwicklung zu koppeln, offenbar verabschiedet habe: "Versprochen - gebrochen." Diplomatie und der Entwicklungszusammenarbeit blieben in den kommenden Jahren hinter der Verteidigung zurück. Deligöz verteidigte die im Haushalt vorgesehene Steigerung der Mittel für die humanitäre Hilfe von rund 1,2 auf 1,5 Milliarden Euro gegenüber Kürzungsansinnen aus der AfD-Fraktion. 65 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht. "Wir haben eine historische, wir haben eine empathische, wir haben eine politische Pflicht, diesen Menschen beizustehen, sie zu unterstützen, auch Fluchtursachen zu bekämpfen".