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Soldaten im Porträt : Stets zu Diensten

Eine Oberfeldärztin, ein Logistiker, ein Oberst und ein Öffentlichkeitsarbeiter über ihre Laufbahn und was die Bundeswehr von zivilen Arbeitgebern unterscheidet.

20.08.2018
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7 Min

Die Ärztin: Verantwortung für die Versorgung von 1.300 Soldaten

Foto: Bundeswehr
Helke Zielonka
ist Oberfeldärztin bei der Bundeswehr.
Foto: Bundeswehr

Immer nur Stallwache halten, während die Kollegen im Feld ihren Mann stehen, das ist nicht im Sinne von Helke Zielonka gewesen. "Wir sind eine Einsatzarmee", sagt die promovierte Sportärztin und Allgemeinmedizinerin. "Da sehe ich es als Pflicht, mitzumachen." Seit 1999 leitet Zielonka als Oberfeldarzt das Sanitätsversorgungszentrum der Bundeswehr bei Potsdam. Sie trägt die Verantwortung für die truppenärztliche und truppenzahnärztliche Versorgung von 1.300 Soldaten. Als Ärztin hat sie in Führungspositionen an Einsätzen in Bosnien und Herzegowina, im Kosovo und mehrmals in Afghanistan teilgenommen - freiwillig. Als das Lager in Kundus angegriffen wurde, konnte sie vor der Nachrichtensperre noch ein Lebenszeichen absetzen - ihren Sohn, der ohnehin unter den mit Gefahren verbundenen Abwesenheiten der Mutter litt, hat das beim Lesen der Nachrichten aufrecht gehalten. "Ohne das Wissen, dass es mir gut geht, hätte er die Schlagzeilen wohl nicht ohne Weiteres verkraftet."


„In Uniform sind alle gleich.“
Oberfeldärztin Heike Zielonka

Zielonka kam als Seiteneinsteigerin zur Bundeswehr. Zu DDR-Zeiten hatte sie als zivile Ärztin Leistungssportler im Armeesportclub Potsdam betreut und wurde von der Bundeswehr übernommen. 1992 entschied sie sich, Soldatin zu werden. Zwar habe sie da neu angefangen, aber Doktortitel, Berufserfahrung und gute Leistungen hätten ihr schnell Achtung verschafft. "Da hat man gemerkt, dass ich als Ärztin kein Frischling war." Benachteiligt habe sie sich weder als Frau noch als aus dem Osten stammend je gefühlt. "In Uniform sind alle gleich." Ihrer Ansicht nach ist die Bundeswehr der einzige Ort, an dem es innerhalb kurzer Zeit gelang, die Unterschiede zwischen Ost und West relativ schnell anzugleichen.

Aus einer Verpflichtung auf vier Jahre wurde 2003 eine Entscheidung für eine Karriere als Berufssoldatin; damals beinhaltete ihre Stelle regelmäßige Besuche auf Truppenübungsplätzen und Rettungseinsätze, außerdem konnte sie bei der Personalauswahl mitreden. Seit dem Aussetzen der Wehrpflicht bekommt Zielonka neue Mitarbeiter zugeteilt; ein Umstand, den sie genauso kritisch sieht wie den generellen Wandel in der Außendarstellung der Bundeswehr. Es bestehe das Risiko, dass soldatische Tugenden wie Kameradschaft, Teamgeist und Pflichtbewusstsein verloren gingen, wenn die Bundeswehr wie ein herkömmlicher Arbeitsplatz wahrgenommen werde. Beim Nachwuchs vermisst die ruhig und zugleich bestimmt auftretende Frau häufig Fähigkeiten "im grünen Bereich", also in der Einsatzbereitschaft - genauso wie ihr diese Feldeinsätze derzeit fehlen. Im nächsten Jahr geht die 62-Jährige in Pension, dann will sie sich neuen Herausforderungen stellen; die Pläne und ein Grobkonzept, wie sie diese umsetzen möchte, stehen bereits.


Der Logistiker: "Im Prinzip führe ich ein Angestelltenleben"

Foto: Bundeswehr
Sebastian Quandt
ist Stabsunteroffizier bei der Bundeswehr.
Foto: Bundeswehr

Sebastian Quandt lebt bei der Bundeswehr seinen beruflichen Traum: Der 34 Jahre alte Stabsunteroffizier beschäftigt sich mit Panzern und der Technik dahinter. Zugegebenermaßen tut er das inzwischen eher indirekt; Quandt arbeitet im Landeskommando Sachsen-Anhalt in Magdeburg in der Logistik. Er sorgt dafür, dass immer genug Ersatzteile da sind, deren Qualität und Preis stimmen. Weil er dafür auf stabile Kundenbeziehungen angewiesen ist, setzt er sich häufig ins Auto und stattet Dienstleistern, Zulieferern und solchen, die es noch werden wollen, Besuche ab.

Aber angefangen hat alles mit dem Schrauben am Panzer. "Für mich war schon in der Schule klar, dass ich zur Bundeswehr will", erzählt der kräftige, kantige Mann. Nach der Grundausbildung, damals noch als Wehrpflichtiger, ergab sich für ihn die Chance, seinen Ausbildungsberuf als Kfz-Mechatroniker mit einer Laufbahn bei der Bundeswehr zu verbinden: Quandt begann in der Instandhaltung und reparierte Panzer. In Burg bei Magdeburg und in Afghanistan, wo er vier Monate lang stationiert war.

In seiner jetzigen Position steigt Quandt jeden Morgen in seinem Heimatort ins Auto und fährt eine halbe Stunde in die Magdeburger Kaserne in der Innenstadt. Mit seinem fünfköpfigen Team arbeitet er Aufträge ab, die bei der Bundeswehr Befehle heißen und "längst nicht mehr per Anschreien gegeben werden". Mittags besuchen die Kollegen die Polizei-Kantine auf der anderen Straßenseite oder gehen in eines der Cafés und Restaurants im Szenekiez, der direkt hinter dem Schlagbaum beginnt. Die Uniform lässt er dabei an. "Damit habe ich kein Problem", sagt er. Quandt ficht keine Kämpfe, nicht gegen sich und nicht gegen andere.


„Für mich war schon in der Schule klar, dass ich zur Bundeswehr will.“
Stabsunteroffizier Sebastian Quandt

"Im Prinzip führe ich ein ganz normales Angestelltenleben", sagt er. Ihm gefällt die Sicherheit seines Arbeitsplatzes, verbunden mit Weiterbildungsmöglichkeiten und einem Gehalt, das über dem des freien Marktes liegt. Für Quandt zählt auch die Heimatnähe: Er betreibt aktiv Huskysport, ein Hobby, das Zeit und Verlässlichkeit braucht.

Was er mit den Hunden macht, wenn er im Einsatz Dienst leistet? "Da unterstützen mich meine Familie und Freunde", erzählt er. Denn wenn der nächste Einsatz kommt, wird Quandt fahren. Auch wenn er in der Logistik arbeitet, fühlt er sich in erster Linie als Soldat. Er weiß um die Belastungen eines solchen Einsatzes, denn auch er wurde nach den Monaten in Afghanistan psychologisch betreut. Doch wenn der Arbeitgeber befiehlt, wird der Stabsunteroffizier Folge leisten - das unterscheidet die Bundeswehr dann doch von zivilen Arbeitgebern wie herkömmlichen Unternehmen.


Der Personalmanager: "Auslandseinsätze sind prägend in der Karriere"

Foto: Bundeswehr
Hartmuth Nell
ist Oberst bei der Bundeswehr.
Foto: Bundeswehr

Ohne Kommunikation mit Fingerspitzengefühl läuft in der "Eins" von Oberst Hartmuth Nell gar nichts: Die "Eins" ist die Personalabteilung im Einsatzführungskommando in Potsdam, die Nell leitet. Von hier aus muss er den Überblick über die personelle Einsatzbereitschaft in allen Kontingenten von Heer, Luftwaffe und Marine haben. Aber auch die Verantwortung für das Personal im Kommando, etwa 1000 Soldaten, gehört dazu.

Als er 1981 in der Osteifel sein Abitur ablegte, sprach nicht gerade viel für eine Bundeswehr-Karriere: Aus einem liberalen Elternhaus stammend hatte der Vater nicht gedient. Nell wuchs in der 1968er-Zeit auf: "Ein Großteil meines Jahrgangs ging eher zu Friedensdemonstrationen", erinnert er sich. Trotzdem wollte er immer Offizier werden: "In der Schule hatte ich mich viel mit dem NS-Unrechtsregime beschäftigt und fand, dass die Bundesrepublik es verdient, sich für sie einzusetzen." Nach Grundausbildung und Offizierslehrgang studierte er bei der Bundeswehr Pädagogik. Das hilft ihm noch heute bei seinen Aufgaben: "Personalwesen bedeutet, dass man immer bei jedem Einzelnen schauen muss, was man machen kann." Dafür benötigt es gute Kommunikation - ob als Kompaniechef in den Niederlanden, während konzeptioneller Phasen im Verteidigungsministerium oder als Kommandeur an einem Nato-Stützpunkt. Immer dabei war die Familie. "Neun oder zehn Umzüge haben meine Frau und die zwei Kinder mitgemacht", sagt Nell "aber sie ziehen auch gerne um."


„Ich musste 200 Stabsoffiziere koordinieren, die aus 50 verschiedenen Ländern kamen. Das war eine echte Herausforderung.“
Oberst Hartmuth Nell

Versetzen, beurteilen, belobigen, tadeln, Beschwerden bearbeiten - das alles gehört zu seinem Alltag. Auch im Auslandseinsatz: "2007, während meines ersten Einsatzes in Afghanistan, hatte ich als dienstältester deutscher Offizier die Disziplinarbefugnis im Internationalen Stab. Da hab ich zum ersten Mal richtig Einsatzluft gerochen", erinnert er sich. "Die Auslandseinsätze sind schon die prägenden Momente in der Karriere." Besonders sein Einsatz für die UN im Süd-Sudan: "Ich musste 200 Stabsoffiziere koordinieren, die aus 50 verschiedenen Ländern kamen. Das war eine echte Herausforderung." Danach ging es für den 56-Jährigen nach Potsdam - dieses Mal ohne die Familie. Die besucht er am Wochenende im gemeinsamen Haus bei Bonn.

Für Dienstaufsichtsreisen muss er weiter regelmäßig in die Einsatzgebiete. Das ist oft Routine, wenn Vakanzen überwacht, die Personalverlegung organisiert oder die Betreuungssituation evaluiert werden muss. Auf manche Situationen könne man aber nicht vorbereitet sein. Etwa wenn gute Freunde beerdigt werden oder eine Todesnachricht an die Familie überbracht werden muss: "Als Personalchef muss man damit umgehen können", sagt er, "trotzdem gibt es Situationen, die schlaflose Nächte bereiten."


Der Öffentlichkeitsarbeiter: "Es waren nicht immer einfache Zeiten"

Wenn Thomas Poloczek vor das Mikrofon tritt oder einen Pressetermin im Landeskommando Sachsen-Anhalt vorbereitet, weiß er, wovon er spricht: Seit 35 Jahren steht der Oberstleutnant in Diensten der Bundeswehr, in unterschiedlichen Funktionen, in verschiedenen Regionen Deutschlands, in internationalen Einsätzen.

Der gebürtige Hannoveraner wollte ursprünglich bei der Bundeswehr seinen Traum vom Fliegen verwirklichen. Dafür hat es wegen der medizinischen Tests nicht ganz gereicht, aber dann zur Heeresflugabwehr. Es folgte eine klassische Bundeswehr-Laufbahn: Poloczek kletterte die Dienstränge nach oben bis zum Stabsoffizier, war früh und wiederkehrend in der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt, als Personalverantwortlicher, als Ausbilder im Pressebereich und für die Organisation eines Jugendcamps bei der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover. Dieser Einsatz hat den 54-Jährigen besonders begeistert: Zwei Jahre lang koordinierte Poloczek Begegnungen zwischen Jugendlichen aus aller Welt in dem durch die Bundeswehr organisierten Camp.


„Beim Gedanken, dass das eigene Kind in den Einsatz geschickt wird, fängt man schon an, zu überlegen.“
Oberstleutnant Thomas Poloczek

Neben zwei Einsätzen in Afghanistan wechselte er häufig die Standorte, von Baden-Württemberg bis Brandenburg. "Das war für meine Frau nicht immer einfach, vor allem in der Zeit, als wir mit zwei sehr kleinen Kindern ein Haus gebaut haben." Die Trennungsrate in der Truppe ist hoch. Die Poloczeks haben durchgehalten. Mit Familien, die sie im Zuge der Bundeswehr-Betreuung während der Afghanistan-Einsätze kennenlernten, pflegen sie bis heute Kontakt. "Anders als viele im Bekanntenkreis konnten sie mit den langen Abwesenheiten und den Unsicherheiten umgehen."

Seit vier Jahren leitet Poloczek die Pressestelle des Landeskommandos Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Er wohnt während der Woche in einer Mietwohnung im Stadtgebiet, das Wochenende gehört der Familie und dem Sport. Er verantwortet die Arbeit von vier Mitarbeitern, kümmert sich um die Präsenz der Bundeswehr in der Öffentlichkeit - ein wachsendes Thema seit dem Aussetzen der Wehrpflicht und dem damit verbundenen notwendigem Werben für eine Freiwilligenarmee - und organisiert bisweilen Filmdrehs auf Truppenübungsplätzen.

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"Kein Tag gleicht dem anderen", sagt er. Die Abwechslung reizt ihn, die letzte Station seines Arbeitslebens soll Magdeburg gleichwohl nicht sein. Poloczek ist seit 1990 Berufssoldat, etwa acht Jahre liegen noch vor ihm. Zum Abschluss möchte er gern zurück nach Hannover, einmal wieder bei der Familie wohnen. Der älteste Sohn überlegt derzeit, ob er Soldat werden möchte. Poloczek ist sich nicht sicher, ob er das gut fände. "Beim Gedanken, dass das eigene Kind in den Einsatz geschickt wird, fängt man schon an, zu überlegen", sagt er.