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Verteidigung : Fehlende Fähigkeiten und Finanzen

Etat steigt um mehr als zehn Prozent

17.09.2018
2023-08-30T12:34:35.7200Z
3 Min

Deutschlands Verteidigungsausgaben sollen im kommenden Jahr um 4,38 auf 42,9 Milliarden Euro steigen. Dies sieht der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt (19/3400, Einzelplan 14) vor, über den der Bundestag in der vergangenen Woche in erster Lesung beriet. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte die geplante "fünfte Erhöhung des Wehretats in Folge" ausdrücklich: "Wir brauchen das Geld, um zu modernisieren. Wir brauchen das Geld, um hohle Strukturen aus Jahrzehnten des Abbaus zu füllen und um neue Fähigkeiten aufzubauen." Zugleich betonte die Ministerin, dass die Erhöhung des Wehretats "sicher kein Schlusspunkt" sei - im Gegenteil. "Nur wenn wir den Verteidigungshaushalt weiterhin stabil, verlässlich, substanziell aufwachsen lassen", könnte die Modernisierung der Truppe gemäß des Anfang September verabschiedeten "Fähigkeitsprofils der Bundeswehr" realisiert werden. So sollen nach der Finanzplanung des Bundes (19/3401) die Verteidigungsausgaben 2021 und 2022 auf jeweils 43,9 Milliarden Euro steigen.

Neben einem Anstieg der Personalkosten um 932 Millionen Euro auf 18,83 Milliarden Euro sollen rund drei Milliarden Euro zusätzlich in die Beschaffung und den Erhalt von Ausrüstung und Anlagen sowie in die Wehrforschung fließen. Insgesamt 15,31 Milliarden Euro sind hierfür vorgesehen. Unter den Beschaffungen mit einem Volumen von 6,41 Milliarden Euro stellen der Schützenpanzer Puma (700 Millionen Euro), das Transportflugzeug A400M (565 Millionen Euro), das Kampfflugzeug Eurofighter (400 Millionen Euro), der Hubschrauber NH90 (400 Millionen Euro) und die Korvette K130 (310 Millionen Euro) die größten Einzelposten dar.

Von der Leyen erinnerte daran, dass Deutschland im kommenden Jahr als Führungsnation der sogenannten Nato-Speerspitze (VJTF) eine Brigade zu stellen hat, die sich aus anderen Verbänden Personal und Material habe leihen müssen. Ziel sei es, bis zum Jahr 2023, wenn Deutschland erneut eine VJTF-Brigade stellen muss, eine Brigade der Bundeswehr "so vollständig auszurüsten", dass sie die Aufgabe allein bewältigen kann. In den nächsten Jahren sollen acht Brigaden wieder über eine Vollausstattung verfügen.

Scharfe Kritik an Ministerin von der Leyen und der Finanzplanung der Regierung übte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen. Das neue "Fähigkeitsprofil der Bundeswehr" sei lediglich ein "ungedeckter Scheck". So sei der Wehretat weit entfernt davon, dass Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) für Verteidigung auszugeben, zu erfüllen. Selbst die von der Ministerin ausgegebene Zielmarke von 1,5 Prozent werde nicht erreicht. So lägen die Ausgaben 2019 bei 1,31 Prozent des BIP, aber bereits 2020 würden sie wieder auf 1,28 Prozent sinken. Allein um die 18.000 unbesetzten Stellen in den Streitkräften zu finanzieren, müssten rund 2,5 Milliarden Euro aufgebracht werden. "Für Investitionen in neue Ausrüstung bleibt da nichts übrig", sagte Lucassen.

Auch die FDP-Fraktion monierte die Finanzplanung, die das selbstgesteckte 1,5-Prozent-Ziel verfehle. Zwischen den Reden und dem Handeln von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Verteidigungsministerin "liegen sagenumwobene zehn Milliarden Euro", sagte der liberale Haushaltspolitiker Karsten Klein. Die FDP sei bereit, einen Anstieg der Verteidigungsausgaben mitzutragen, sagte Klein der Ministerin zu. Bedingung sei allerdings, dass das Beschaffungswesen so organisiert wird, "dass aus dem vielgenannten Soll auch ein Ist werden kann" und dass die Beschaffungen mit den europäischen Partnern besser synchronisiert werden. Zudem müsse ein Finanzplan vorgelegt werden, aus dem klar hervorgeht, was die Bundeswehr "wann und wofür benötigt".

Der Verteidigungs- und Haushaltsexperte Tobias Lindner von Bündnis 90/Die Grünen bezweifelte, dass die zusätzlichen Gelder überhaupt ausgegeben werden können. Angesichts der Probleme im Beschaffungswesen werde dies auch vom Bundesrechnungshof kritisch beurteilt. Fast ein Viertel der Stellen beim Beschaffungsamt sei nicht besetzt. "In dieser Situation muss doch die erste Aufgabe sein, mit Geld vernünftig umzugehen, statt noch neues Geld auf den Verteidigungsetat draufzuwerfen", sagte Lindner.

Für prinzipiell überdimensioniert hält die Linksfraktion den Wehretat. Deren Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch warf der Regierung vor, dass sie "mehr in Kriegsvorbereitungen als in den Frieden investieren will". So stünden den 15 Milliarden Euro für Beschaffungen, Materialerhalt und Wehrforschung lediglich elf Milliarden bei den zivilen Sachinvestitionen des Bundes gegenüber.

Begrüßt werden der Anstieg der Verteidigungsausgaben hingegen von den Koalitionsfraktionen. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte (CDU), mahnte allerdings an, dass der Wehretat bis 2023 auf 60 Milliarden Euro anstiegen müsse. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) müsse "Verantwortungsbewusstsein" zeigen. Der SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu bekannte sich zu dem Ziel, bis 2024 1,5 Prozent des BIP auszugeben, damit die Bundeswehr "wieder ihre Aufgaben erfüllen kann". Das kommende Jahr werde für von der Leyen zur "Nagelprobe". Sie müsse beweisen, dass die zusätzlichen Gelder effektiv bei der Beschaffung neuer Ausrüstung eingesetzt werden.