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MENSCHENRECHTE : »Mehr Kompass« erwünscht

Geteiltes Experten-Echo für Bericht der Bundesregierung

11.06.2019
2023-08-30T12:36:23.7200Z
2 Min

Der 13. Bericht über die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung (19/7730) stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo. In einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses diskutierten die Sachverständigen vergangene Woche über enger werdende Spielräume für Menschenrechtsaktivisten weltweit, die Schwächung des internationalen Menschenrechtssystems und die Herausforderung durch China.

Blick auf Polen Markus Beeko (Amnesty International) vermisste eine Akzentuierung zentraler Herausforderungen und kritisierte, dass im Länderteil nicht die Menschenrechtssituation befreundeter Staaten beleuchtet werde. Mit Blick auf Artikel-7-Verfahren der EU zur Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn sei dies eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Ulrich Delius (Gesellschaft für bedrohte Völker) wünschte sich zuweilen "mehr Kompass" im Auswärtigen Amt, ob Menschenrechte oder eher Stabilität im Vordergrund stehen sollten und nannte das Beispiel des Sudans, wo Menschenrechtsaktivisten den Sturz des Diktators bewirkt hätten, die vom Auswärtigen Amt zuvor völlig unterschätzt worden seien. "Was bedeutet Stabilität und ist es eine langfristige Stabilität, wenn man solche Regime stützt?"

Rainer Dopp (Nationale Stelle zur Verhütung von Folter) lenkte den Blick auf Defizite in Deutschland: So gebe es Fixierungen in psychiatrischen Einrichtungen und in Polizeidienststellen, die etwa ohne Sitzwache durchgeführt würden. Auch in der Altenpflege würden freiheitsbeschränkende Maßnahmen häufig nicht als problematisch wahrgenommen, etwa dann, wenn demenziell erkrankte Bewohner daran gehindert würden, die Einrichtung verlassen.

Monika Hauser (medica mondiale e. V.) machte auf das "epidemische Ausmaß" sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen weltweit aufmerksam, das auch vor Deutschland nicht halt mache. Die Bundesregierung lasse für dieses Problem in ihrer Menschenrechts- und Außenpolitik keine kohärente Strategie erkennen. Gewalt gegen Frauen sei kein Kriterium bei der Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsstaaten, es gebe Migrationspartnerschaften mit frauenverachtenden Regimen.

Michael Krennerich (Universität Erlangen-Nürnberg) unterstrich die Bedeutung der sozialen Menschenrechte: Diese könnten auf Schutzlücken aufmerksam machen, die selbst in einem Sozialstaat wie Deutschland existieren, wie die Beispiele Kinderarmut, Wohnungsnot und Pflege zeigen würden. Eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt durch Deutschland sei "längst überfällig".

»Libanonisierung« Michael Ley (ehemaliger Ko-Direktor des Boltzmann Instituts für Politik, Religion und Anthropologie) warnte davor, Migration zu einem Menschenrecht aufzuwerten. Das klinge zwar human und freundlich, habe aber Folgen: Migration sei nicht mehr steuer-, das Asylrecht im herkömmlichen Sinne nicht mehr haltbar. Ley warnte vor einer "Libanonisierung der Gesellschaft" und vor einem aus islamischen Ländern importierten Antisemitismus.

Christian Mihr (Reporter ohne Grenzen) lenkte den Blick auf das technisch hoch entwickelte System staatlicher Überwachung des Internets in China, mit dem die Behörden unerwünschte Themen im Keim ersticken würden. Peking versuche ein "alternatives Menschenrechtsnarrativ zu etablieren, das Universalität der Menschenrechte grundsätzlich verneint", und das auch für andere Länder attraktiv erscheine.