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IRAK : Abzug der Tornados bleibt umstritten

Neue Aufgaben für Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr

30.03.2020
2023-08-30T12:38:15.7200Z
4 Min

Die Bundeswehr wird die Luftbetankung beim Einsatz gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien und im Irak über den 31. März hinaus fortführen, die Luftaufklärung mit Tornado-Einsätzen allerdings beenden. Das beschloss das Bundestagsplenum vergangene Woche unter besonderen Bedingungen: Wegen der Corona-Krise erfolgte die Abstimmung ausnahmsweise nicht namentlich. Für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung (19/17790) auf Ergänzung des Mandats (19/13290), das der Bundestag im Oktober vergangenen Jahres beschlossen hatte, votierten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die FDP-Fraktion, die übrigen Fraktionen stimmten dagegen. Eine weitere Änderung betrifft den Ausbildungsteil der Mission: Der Fähigkeitsaufbau der irakischen Armee soll künftig im Rahmen der Nato-Mission im Irak erfolgen. Mit einem Luftraumradar will Deutschland zudem einen Beitrag dazu leisten, Flugzeuge und Raketen frühzeitig zu erkennen.

Nils Schmid (SPD) bezeichnete den Irak als "Schlüsselstaat" im Kampf gegen den die Terrororganisation IS. "Wir dürfen in diesem Kampf nicht nachlassen und dürfen nicht vergessen, welches Unheil die Terrorbanden des IS auch und gerade in Europa angerichtet haben." Voraussetzung sei allerdings zum einen eine "ausdrückliche politische Rückendeckung aus dem Irak heraus" für die Ausbildungsmission und eine Verständigung zwischen der kurdischen Regionalregierung in Erbil mit der Zentralregierung in Bagdad über die Zuständigkeiten und die Bekämpfung von terroristischen Organisationen. "Ohne eine solche Verständigung können unsere Beiträge auch nur begrenzt die Kämpfe gegen den IS unterstützen."

Gerold Otten (AfD) stellte den Einsatz grundsätzlich in Frage: Militär könne gegnerische Streitkräfte bekämpfen, geografische Räume besetzen und für eine Zeit halten. "Mit Luftbetankung, Training oder Lufttransport können Sie aber weder den Terrorismus des IS nachhaltig bekämpfen noch seine Ausbreitung in den Köpfen der Menschen verhindern." Otten erinnerte an eine Resolution des irakischen Parlaments, das die Regierung aufgefordert habe, für ein Ende der militärischen Präsenz aller ausländischen Truppen im Land zu sorgen. "Die schiitische Mehrheit will uns nicht im Irak, die sunnitische Minderheit wird dort weiter unterdrückt und fördert den IS."

Terror in Paris Johann Wadephul (CDU) erinnerte daran, dass dieser Einsatz seinen Ursprung in den Anschlägen von Paris 2015 habe - "Angriffe des IS im Herzen unseres gemeinsamen Europas". Es gebe auch nach dem Tod des IS-Führers al-Baghdadi nach wie vor rund 10.000 Kämpfer in Syrien und im Irak und mithin weiter die Notwendigkeit, gegen den IS zu kämpfen. "Dabei reichen wir eine helfende Hand, dabei unterstützen wir die Koalition, und dabei unterstützen wir den Schlüsselstaat Irak." Wadephul bedauerte mit Blick auf den Willen des Koalitionspartners SPD, dass die Bundeswehr die Luftaufklärung per Tornado-Flüge einstellen soll: "Es wäre militärisch ein Ausdruck unserer Entschlossenheit, bündnispolitisch ein Ausdruck unserer Solidarität, technisch für die Bundeswehr leistbar gewesen, auch die Beobachtungstätigkeit, die Aufklärungstätigkeit fortzusetzen."

Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) bezeichnete es als großen Fehler, "dass Deutschland am 31. März das Mandat in Jordanien beendet, die Tornados dort abzieht und diese hervorragende Arbeit im Kampf gegen den IS damit aussetzt". Italien werde, anders als angekündigt, diese Aufgabe nicht nahtlos übernehmen. "Das bedeutet, dass einen Monat lang dem IS, der immer noch nicht besiegt ist, strategisch Raum gelassen wird", sagte Strack-Zimmermann. "Das ist ein krasser Rückschlag" und habe mit staatspolitischer Verantwortung in der Außenpolitik nichts zu tun. Als positiv wertete sie, dass der Ausbildungsbetrieb im Zentralirak voraussichtlich im Mai wieder aufgenommen werde und nunmehr innerhalb der Nato-Mission stattfinden solle - und nicht mehr als "deutscher Alleingang".

Ärzteteams Sevim Dagdelen (Die Linke) sprach von einem "Phantomeinsatz". Es sei absehbar, dass Italien wegen der Erschütterungen durch die Corona-Krise die Aufklärungsflüge nicht werde übernehmen können. "Statt wie Kuba, Russland oder China Ärzteteams nach Italien zu entsenden, bettelt die deutsche Verteidigungsministerin, dass Italien die Aufklärungsflüge der Bundeswehr übernimmt, damit man ungeachtet der massiven Kritik, die es auch aus der SPD gibt, den Militäreinsatz fortführen kann." Als Märchen bezeichnete Dagdelen außerdem die Argumentation, dass es bei diesem Einsatz um Terrorismusbekämpfung gehe. "Haben Sie sich Ihre Partner in der Anti-IS-Koalition angeschaut? Wollen Sie uns allen Ernstes sagen, dass Saudi-Arabien, die Emirate oder die Muslimbrüder aus Katar, die Teil Ihrer Koalition sind, den islamistischen Terrorismus tatsächlich bekämpfen wollen?"

Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, dass der Einsatz weiterhin in einer "verfassungsrechtlich und politisch hochproblematischen Koalition der Willigen" stattfinde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner historischen Entscheidung betont, dass Bundeswehreinsätze nicht in losen Staatenkoalitionen stattfinden dürfen. Lose Staatenbünde voller nationaler Eigeninteressen laufen Gefahr, die Lage in den Krisenregionen nicht zu verbessern, sondern am Ende des Tages zu verschärfen. "Gerade im Irak war die Koalition der Willigen vor allem eine Koalition der Widersprüchlichen." Das sehe man, wenn etwa Donald Trump ohne Absprache Truppen abziehe oder das türkische Militär völkerrechtswidrig Teile von Nordsyrien besetze und die Kurden angreife.